Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821)

Vorrede



Die unmittelbare Veranlassung zur Herausgabe dieses Grundrisses
ist das Bedürfnis,
meinen Zuhörern einen Leitfaden zu den Vorlesungen in die Hände zu geben,
welche ich meinem Amte gemäß über die Philosophie des Rechts halte.

Dieses Lehrbuch ist eine weitere,
insbesondere mehr systematische Ausführung derselben Grundbegriffe,
welche über diesen Teil der Philosophie
in der von mir sonst für meine Vorlesungen bestimmten
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (Heidelberg 1817)
bereits enthalten sind.


Daß dieser Grundriß aber im Druck erscheinen sollte,
hiermit auch vor das größere Publikum kommt, wurde die Veranlassung,
die Anmerkungen, die zunächst in kurzer Erwähnung
die verwandten oder abweichenden Vorstellungen, weiteren Folgen und dergleichen
andeuten sollten,
was in den Vorlesungen seine gehörige Erläuterung erhalten würde,
manchmal schon hier weiter auszuführen,
um den abstrakteren Inhalt des Textes zuweilen zu verdeutlichen
und auf naheliegende, in dermaliger Zeit gang und gäbe Vorstellungen
eine ausgedehntere Rücksicht zu nehmen.

So ist eine Anzahl weitläufigerer Anmerkungen entstanden,
als der Zweck und Stil eines Kompendiums sonst mit sich bringt.

Ein eigentliches Kompendium jedoch hat den für fertig angesehenen
Umkreis einer Wissenschaft zum Gegenstande,
und das ihm Eigentümliche ist,
vielleicht einen kleinen Zusatz hier und da ausgenommen,
vornehmlich die Zusammenstellung und Ordnung
der wesentlichen Momente eines Inhalts,
der längst ebenso zugegeben und bekannt ist,
als jene Form ihre längst ausgemachten Regeln und Manieren ((11)) hat.

Von einem philosophischen Grundriß
erwartet man diesen Zuschnitt schon etwa darum nicht,
weil man sich vorstellt, das, was die Philosophie vor sich bringe,
sei ein so übernächtiges Werk als das Gewebe der Penelope,
das jeden Tag von vorne angefangen werde.


Allerdings weicht dieser Grundriß zunächst von einem gewöhnlichen Kompendium
durch die Methode ab, die darin das Leitende ausmacht.

Daß aber die philosophische Art des Fortschreitens
von einer Materie zu einer andern
und des wissenschaftlichen Beweisens,
diese spekulative Erkenntnisweise überhaupt,
wesentlich sich von anderer Erkenntnisweise unterscheidet,
wird hier vorausgesetzt.

Die Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen Verschiedenheit
kann es allein sein, was die Philosophie aus dem schmählichen Verfall,
in welchen sie in unseren Zeiten versunken ist,
herauszureißen vermögen wird.

Man hat wohl die Unzulänglichkeit
der Formen und Regeln der vormaligen Logik,
des Definierens, Einteilens und Schließens,
welche die Regeln der Verstandeserkenntnis enthalten,
für die spekulative Wissenschaft erkannt, oder mehr nur gefühlt als erkannt,
und dann diese Regeln nur als Fesseln weggeworfen,
um aus dem Herzen, der Phantasie, der zufälligen Anschauung
willkürlich zu sprechen;
und da denn doch auch Reflexion und Gedankenverhältnisse eintreten müssen,
verfährt man bewußtlos in der verachteten Methode
des ganz gewöhnlichen Folgerns und Räsonnements.

- Die Natur des spekulativen Wissens
habe ich in meiner Wissenschaft der Logik ausführlich entwickelt;
in diesem Grundriß ist darum nur hier und da
eine Erläuterung über Fortgang und Methode hinzugefügt worden.

Bei der konkreten und in sich so mannigfaltigen Beschaffenheit des Gegenstandes
ist es zwar vernachlässigt worden, in allen und jeden Einzelheiten
die logische Fortleitung nachzuweisen und herauszuheben.

Teils konnte dies, bei vorausgesetzter Bekanntschaft mit
der wissenschaftlichen Methode, für überflüssig gehalten werden,
teils wird aber es von selbst auffallen,
daß das Ganze wie die Ausbildung ((12)) seiner Glieder
auf dem logischen Geiste beruht.

Von dieser Seite möchte ich auch vornehmlich,
daß diese Abhandlung gefaßt und beurteilt würde.

Denn das, um was es in derselben zu tun ist, ist die Wissenschaft,
und in der Wissenschaft ist der Inhalt wesentlich an die Form gebunden.


Man kann zwar von denen, die es am gründlichsten zu nehmen scheinen,
hören, die Form sei etwas Äußeres und für die Sache Gleichgültiges,
es komme nur auf diese an;
man kann weiter das Geschäft des Schriftstellers, insbesondere des philosophischen,
darein setzen, Wahrheiten zu entdecken, Wahrheiten zu sagen,
Wahrheiten und richtige Begriffe zu verbreiten.

Wenn man nun betrachtet,
wie solches Geschäft wirklich betrieben zu werden pflegt,
so sieht man einesteils denselben alten Kohl immer wieder aufkochen
und nach allen Seiten hin ausgeben
- ein Geschäft, das wohl auch sein Verdienst um die Bildung
und Erweckung der Gemüter haben wird, wenn es gleich mehr
als ein vielgeschäftiger Überfluß angesehen werden könnte,
- " denn sie haben Mosen und die Propheten, laß sie dieselbigen hören“.

Vornehmlich hat man vielfältige Gelegenheit,
sich über den Ton und die Prätention, die sich dabei zu erkennen gibt,
zu verwundern,
nämlich als ob es der Welt nur noch
an diesen eifrigen Verbreitern von Wahrheiten gefehlt hätte
und als ob der aufgewärmte Kohl neue und unerhörte Wahrheiten brächte
und vornehmlich immer” in jetziger Zeit " hauptsächlich zu beherzigen wäre.

Andernteils aber sieht man, was von solchen Wahrheiten
von der einen Seite her ausgegeben wird,
durch eben dergleichen von andern Seiten her ausgespendete Wahrheiten
verdrängt und weggeschwemmt werden.

Was nun in diesem Gedränge von Wahrheiten weder Altes noch Neues,
sondern Bleibendes sei, wie soll dieses aus diesen
formlos hin- und hergehenden Betrachtungen sich herausheben
- wie anders sich unterscheiden und bewähren als durch die Wissenschaft ?


Ohnehin über Recht, Sittlichkeit, Staat ist die Wahrheit ebensosehr alt,
als in den öffentlichen Gesetzen, der öffentlichen ((13)) Moral und Religion
offen dargelegt und bekannt.

Was bedarf diese Wahrheit weiter, insofern der denkende Geist
sie in dieser nächsten Weise zu besitzen nicht zufrieden ist,
als sie auch zu begreifen und dem schon an sich selbst vernünftigen Inhalt
auch die vernünftige Form zu gewinnen,
damit er für das freie Denken gerechtfertigt erscheine,
welches nicht bei dem Gegebenen,
es sei durch die äußere positive Autorität des Staats
oder der Übereinstimmung der Menschen,
oder durch die Autorität des inneren Gefühls und Herzens
und das unmittelbar beistimmende Zeugnis des Geistes unterstützt,
stehenbleibt,
sondern von sich ausgeht und eben damit fordert,
sich im Innersten mit der Wahrheit geeint zu wissen ?


Das einfache Verhalten des unbefangenen Gemütes ist,
sich mit zutrauensvoller Überzeugung
an die öffentlich bekannte Wahrheit zu halten und auf diese feste Grundlage
seine Handlungsweise und feste Stellung im Leben zu bauen.

Gegen dieses einfache Verhalten
tut sich etwa schon die vermeinte Schwierigkeit auf,
wie aus den unendlich verschiedenen Meinungen sich das,
was darin das allgemein Anerkannte und Gültige sei,
unterscheiden und herausfinden lasse;
und man kann diese Verlegenheit leicht
für einen rechten und wahrhaften Ernst um die Sache nehmen.

In der Tat sind aber die,
welche sich auf diese Verlegenheit etwas zugute tun,
in dem Falle, den Wald vor den Bäumen nicht zu sehen,
und es ist nur die Verlegenheit und Schwierigkeit vorhanden,
welche sie selbst veranstalten;
ja diese ihre Verlegenheit und Schwierigkeit ist vielmehr der Beweis,
daß sie etwas anderes als das allgemein Anerkannte und Geltende,
als die Substanz des Rechten und Sittlichen wollen.

Denn ist es darum wahrhaft,
und nicht um die Eitelkeit und Besonderheit des Meinens und Seins zu tun,
so hielten sie sich an das substantielle Rechte,
nämlich an die Gebote der Sittlichkeit und des Staats,
und richteten ihr Leben danach ein.

- Die weitere Schwierigkeit aber kommt von der Seite,
daß der Mensch denkt und im Denken seine Freiheit
und den Grund der ((14)) Sittlichkeit sucht.

Dieses Recht, so hoch, so göttlich es ist,
wird aber in Unrecht verkehrt, wenn nur dies für Denken gilt
und das Denken nur dann sich frei weiß,
insofern es vom Allgemein-Anerkannten und Gültigen abweiche
und sich etwas Besonderes zu erfinden gewußt habe.


Am festesten konnte in unserer Zeit die Vorstellung,
als ob die Freiheit des Denkens und des Geistes überhaupt
sich nur durch die Abweichung,
ja Feindschaft gegen das öffentlich Anerkannte beweise,
in Beziehung auf den Staat eingewurzelt [sein]
und hiernach absonderlich eine Philosophie über den Staat
wesentlich die Aufgabe zu haben scheinen, auch eine Theorie
und eben eine neue und besondere zu erfinden und zu geben.

Wenn man diese Vorstellung und das ihr gemäße Treiben sieht,
so sollte man meinen,
als ob noch kein Staat und Staatsverfassung in der Welt gewesen
noch gegenwärtig vorhanden sei,
sondern als ob man jetzt - und dies Jetzt dauert immer fort -
ganz von vorne anzufangen und die sittliche Welt nur auf
ein solches jetziges Ausdenken und Ergründen und Begründen gewartet habe.

Von der Natur gibt man zu,
daß die Philosophie sie zu erkennen habe, wie sie ist,
daß der Stein der Weisen irgendwo, aber in der Natur selbst verborgen liege,
daß sie in sich vernünftig sei
und das Wissen diese in ihr gegenwärtige, wirkliche Vernunft,
nicht die auf der Oberfläche sich zeigenden Gestaltungen und Zufälligkeiten,
sondern ihre ewige Harmonie,
aber als ihr immanentes Gesetz und Wesen zu erforschen
und begreifend zu fassen habe.

Die sittliche Welt dagegen, der Staat,
sie, die Vernunft, wie sie sich im Elemente des Selbstbewußtseins verwirklicht,
soll nicht des Glücks genießen,
daß es die Vernunft ist, welche in der Tat in diesem Elemente
sich zur Kraft und Gewalt gebracht habe, darin behaupte und inwohne. °

°Fuß: Zusatz  
Es gibt zweierlei Arten von Gesetzen, Gesetze der Natur und des Rechts:
die Gesetze der Natur sind schlechthin und gelten so, wie sie sind:
sie leiden an keiner Verkümmerung,
obgleich man sich in einzelnen Fällen dagegen vergehen kann.

Um zu wissen, was das Gesetz der Natur ist,
müssen wir dieselbe kennenlernen, denn diese Gesetze sind richtig;
nur unsere Vorstellungen davon können falsch sein.

Der Maßstab dieser Gesetze ist außer uns,
und unser Erkennen tut nichts zu ihnen hinzu, befördert sie nicht:
nur unsere Erkenntnis über sie kann sich erweitern.

Die Kenntnis des Rechts ist einerseits ebenso, andererseits nicht.

Wir lernen die Gesetze ebenso kennen, wie sie schlechthin da sind;
so hat sie mehr oder weniger der Bürger,
und der positive Jurist bleibt nicht minder bei dem, was gegeben ist, stehen.

Aber der Unterschied ist, daß bei den Rechtsgesetzen
sich der Geist der Betrachtung erhebt
und schon die Verschiedenheit der Gesetze darauf aufmerksam macht,
daß sie nicht absolut sind.

Die Rechtsgesetze sind Gesetztes, von Menschen Herkommendes.

Mit diesem kann notwendig die innere Stimme
in Kollision treten oder sich ihm anschließen.

Der Mensch bleibt bei dem Daseienden nicht stehen,
sondern behauptet, in sich den Maßstab zu haben von dem, was recht ist;
er kann der Notwendigkeit und der Gewalt
äußerer Autorität unterworfen sein,
aber niemals wie der Notwendigkeit der Natur,
denn ihm sagt immer sein Inneres, wie es sein solle, und in sich selbst
findet er die Bewährung oder Nichtbewährung dessen, was gilt.

In der Natur ist die höchste Wahrheit, daß ein Gesetz überhaupt ist;
in den Gesetzen des Rechts gilt die Sache nicht, weil sie ist,
sondern jeder fordert, sie solle seinem eigenen Kriterium entsprechen.

Hier also ist ein Widerstreit möglich dessen, was ist,
und dessen, was sein soll,
des an und für sich seienden Rechts, welches unverändert bleibt,
und der Willkürlichkeit der Bestimmung dessen, was als Recht gelten solle.

Solche Trennung und solcher Kampf findet sich nur auf dem Boden des Geistes,
und weil der Vorzug des Geistes
somit zum Unfrieden und zur Unseligkeit zu führen scheint,
so wird man häufig zur Betrachtung der Natur
aus der Willkür des Lebens zurückverwiesen
und soll sich an derselben ein Muster nehmen.

Gerade in diesen Gegensätzen aber des an und für sich seienden Rechts
und dessen, was die Willkür als Recht geltend macht,
liegt das Bedürfnis, gründlich das Rechte erkennen zu lernen.

Seine Vernunft muss dem Menschen im Rechte entgegenkommen;
er muss also die Vernünftigkeit des Rechts betrachten,
und dies ist die Sache unserer Wissenschaft,
im Gegensatz der positiven Jurisprudenz,
die es oft nur mit Widersprüchen zu tun hat.

Die gegenwärtige Welt hat dazu noch ein dringenderes Bedürfnis,
denn vor alten Zeiten war noch Achtung
und Ehrfurcht vor dem bestehenden Gesetz da;
jetzt aber hat die Bildung der Zeit eine andere Wendung genommen,
und der Gedanke hat sich an die Spitze alles dessen gestellt, was gelten soll.

Theorien stellen sich dem Daseienden gegenüber
und wollen als an und für sich richtig und notwendig erscheinen.

Nunmehr wird es spezielleres Bedürfnis,
die Gedanken des Rechts zu erkennen und zu begreifen.

Da sich der Gedanke zur wesentlichen Form erhoben hat,
so muss man auch das Recht als Gedanken zu fassen suchen.

Dies scheint zufälligen Meinungen Tür und Tor zu öffnen,
wenn der Gedanke über das Recht kommen soll;
aber der wahrhafte Gedanke ist keine Meinung über die Sache,
sondern der Begriff der Sache selbst.

Der Begriff der Sache kommt uns nicht von Natur.

Jeder Mensch hat Finger, kann Pinsel und Farben haben,
darum aber ist er noch kein Maler.

Ebenso ist es mit dem Denken.

Der Gedanke des Rechts ist nicht etwa, was jedermann aus erster Hand hat,
sondern das richtige Denken ist das Kennen und Erkennen der Sache,
und unsere Erkenntnis soll daher wissenschaftlich sein.
Ende Zusatz

Dieser Zusatz, von Gans eingeschaltet, stammt aus einer Vorlesung
über Naturrecht und Staatswissenschaft vom Wintersemester 1822/23.
EndeFuß

Das geistige Universum soll vielmehr dem Zufall ((15))
und der Willkür preisgegeben, es soll gottverlassen sein,
so daß nach diesem Atheismus der sittlichen Welt
das Wahre sich außer ihr befinde
und zugleich, weil doch auch Vernunft darin sein soll,
das Wahre nur ein Problema sei.

Hierin aber liege die Berechtigung, ja die Verpflichtung für jedes Denken,
auch seinen Anlauf zu nehmen,
doch nicht um den Stein der Weisen zu suchen,
denn durch das Philosophieren unserer Zeit ist das Suchen erspart
und jeder gewiß, so wie er steht und geht,
diesen Stein in seiner Gewalt zu haben.

Nun geschieht es freilich, daß diejenigen,
welche in dieser Wirklichkeit des Staats leben
und ihr Wissen und Wollen darin befriedigt finden
- und deren sind viele, ja mehr als es meinen und wissen,
denn im Grunde sind es alle -, daß also wenigstens diejenigen,
welche mit Bewußtsein ihre Befriedigung im Staate haben,
jener Anläufe und Versicherungen ((16)) lachen
und sie für ein bald lustigeres oder ernsteres,
ergötzliches oder gefährliches, leeres Spiel nehmen.

Jenes unruhige Treiben der Reflexion und Eitelkeit,
sowie die Aufnahme und Begegnung, welche sie erfährt,
wäre nun eine Sache für sich, die sich auf ihre Weise in sich entwickelt;
aber es ist die Philosophie überhaupt, welche sich durch jenes Getreibe
in mannigfaltige Verachtung und Mißkredit gesetzt hat.

Die schlimmste der Verachtungen ist diese,
daß wie gesagt jeder, wie er so steht und geht,
über die Philosophie überhaupt Bescheid zu wissen
und abzusprechen imstande zu sein überzeugt ist.

Keiner anderen Kunst und Wissenschaft wird diese letzte Verachtung bezeigt,
zu meinen, daß man sie geradezu innehabe.


In der Tat, was wir von der Philosophie der neueren Zeit
mit der größten Prätention über den Staat haben ausgehen ((17)) sehen,
berechtigte wohl jeden, der Lust hatte mitzusprechen,
zu dieser Überzeugung, eben solches von sich aus geradezu machen zu können
und damit sich den Beweis, im Besitz der Philosophie zu sein, zu geben.

Ohnehin hat die sich so nennende Philosophie es ausdrücklich ausgesprochen,
daß das Wahre selbst nicht erkannt werden könne,
sondern daß dies das Wahre sei, was jeder über die sittlichen Gegenstände,
vornehmlich über Staat, Regierung und Verfassung,
sich aus seinem Herzen, Gemüt und Begeisterung aufsteigen lasse.

Was ist darüber nicht alles der Jugend insbesondere zum Munde geredet worden?

Die Jugend hat es sich denn auch wohl gesagt sein lassen.

Den Seinen gibt Er’s schlafend, ist auf die Wissenschaft angewendet worden,
und damit hat jeder Schlafende sich zu den Seinen gezählt;
was er so im Schlafe der Begriffe bekommen,
war denn freilich auch Ware danach.

- Ein Heerführer dieser Seichtigkeit, die sich Philosophieren nennt,
Herr Fries °, hat sich nicht entblödet,
bei einer feierlichen, berüchtigt gewordenen öffentlichen Gelegenheit
in einer Rede über den Gegenstand von Staat und Staatsverfassung
die Vorstellung zu geben:
" in dem Volke, in welchem echter Gemeingeist herrsche,
würde jedem Geschäft der öffentlichen Angelegenheiten
das Leben von unten aus dem Volke kommen,
würden jedem einzelnen Werke der Volksbildung
und des volkstümlichen Dienstes sich lebendige Gesellschaften weihen,
durch die heilige Kette der Freundschaft unverbrüchlich vereinigt “,und dergleichen °.

- Dies ist der Hauptsinn der Seichtigkeit,
die Wissenschaft, statt auf die Entwicklung des Gedankens und Begriffs,
vielmehr auf die unmittelbare Wahrnehmung
und die zufällige Einbildung ((18)) zu stellen,
ebenso die reiche Gliederung des Sittlichen in sich, welche der Staat ist,
die Architektonik seiner Vernünftigkeit,
die durch die bestimmte Unterscheidung der Kreise des öffentlichen Lebens
und ihrer Berechtigungen und durch die Strenge des Maßes,
in dem sich jeder Pfeiler, Bogen und Strebung hält,
die Stärke des Ganzen aus der Harmonie seiner Glieder hervorgehen macht,
- diesen gebildeten Bau in den Brei des” Herzens, der Freundschaft und Begeisterung " zusammenfließen zu lassen.

Wie nach Epikur die Welt überhaupt,
so ist freilich nicht, aber so sollte die sittliche Welt nach solcher Vorstellung
der subjektiven Zufälligkeit des Meinens und der Willkür übergeben werden.

Mit dem einfachen Hausmittel, auf das Gefühl das zu stellen,
was die und zwar mehrtausendjährige Arbeit der Vernunft
und ihres Verstandes ist,
ist freilich alle die Mühe der von dem denkenden Begriffe geleiteten Vernunfteinsicht
und Erkenntnis erspart.

Mephistopheles bei Goethe - eine gute Autorität -
sagt darüber ungefähr, was ich auch sonst angeführt:


Verachte nur Verstand und Wissenschaft,
des Menschen allerhöchste Gaben -
so hast dem Teufel dich ergeben
und mußt zugrunde gehn. °


Unmittelbar nahe liegt es, daß solche Ansicht
sich auch die Gestalt der Frömmigkeit annimmt;
denn mit was allem hat dieses Getreibe sich nicht zu autorisieren versucht!

Mit der Gottseligkeit und der Bibel aber hat es sich die höchste Berechtigung,
die sittliche Ordnung und die Objektivität der Gesetze zu verachten,
zu geben vermeint.

Denn wohl ist es auch die Frömmigkeit, welche die in der Welt
zu einem organischen Reiche auseinandergeschlagene Wahrheit
zur einfacheren Anschauung des Gefühls einwickelt.

Aber sofern sie rechter Art ist, gibt sie die Form dieser Region auf,((19))
sobald sie aus dem Innern heraus in den Tag der Entfaltung
und des geoffenbarten Reichtums der Idee eintritt,
und bringt aus ihrem inneren Gottesdienst
die Verehrung gegen eine an und für sich seiende,
über die subjektive Form des Gefühls erhabene Wahrheit und Gesetze mit.


Die besondere Form des üblen Gewissens,
welche sich in der Art der Beredsamkeit, zu der sich jene Seichtigkeit aufspreizt,
kundtut, kann hierbei bemerklich gemacht werden;
und zwar zunächst, daß sie da, wo sie am geistlosesten ist,
am meisten vom Geiste spricht,
wo sie am totesten und ledernsten redet,
das Wort Leben und ins Leben einführen,
wo sie die größte Selbstsucht des leeren Hochmuts kundtut,
am meisten das Wort Volk im Munde führt.

Das eigentümliche Wahrzeichen aber, das sie an der Stirne trägt,
ist der Haß gegen das Gesetz.

Daß Recht und Sittlichkeit,
und die wirkliche Welt des Rechts und des Sittlichen,
sich durch den Gedanken erfaßt,
durch Gedanken sich die Form der Vernünftigkeit,
nämlich Allgemeinheit und Bestimmtheit gibt,
dies, das Gesetz, ist es, was jenes sich das Belieben vorbehaltende Gefühl,
jenes das Rechte in die subjektive Überzeugung stellende Gewissen
mit Grund als das sich feindseligste ansieht.

Die Form des Rechten als einer Pflicht und als eines Gesetzes
wird von ihm als ein toter, kalter Buchstabe und als eine Fessel empfunden;
denn es erkennt in ihm nicht sich selbst, sich in ihm somit nicht frei,
weil das Gesetz die Vernunft der Sache ist und diese dem Gefühle nicht verstattet,
sich an der eigenen Partikularität zu wärmen.

Das Gesetz ist darum,
wie im Laufe dieses Lehrbuchs irgendwo angemerkt worden, °
vornehmlich das Schiboleth, an dem die falschen Brüder und Freunde
des sogenannten Volkes sich abscheiden.


Indem nun die Rabulisterei der Willkür
sich des Namens der Philosophie bemächtigt
und ein großes Publikum in die Meinung zu versetzen vermocht hat,
als ob dergleichen Treiben ((20)) Philosophie sei,
so ist es fast gar zur Unehre geworden
über die Natur des Staats noch philosophisch zu sprechen;
und es ist rechtlichen Männern nicht zu verargen, wenn sie in Ungeduld geraten,
sobald sie von philosophischer Wissenschaft des Staats reden hören.

Noch weniger ist sich zu verwundern, wenn die Regierungen
auf solches Philosophieren endlich die Aufmerksamkeit gerichtet haben,
da ohnehin bei uns die Philosophie nicht, wie etwa bei den Griechen,
als eine private Kunst exerziert wird,
sondern sie eine öffentliche, das Publikum berührende Existenz,
vornehmlich oder allein im Staatsdienste, hat.

Wenn die Regierungen ihren diesem Fache gewidmeten Gelehrten
das Zutrauen bewiesen haben,
sich für die Ausbildung und den Gehalt der Philosophie
auf sie gänzlich zu verlassen
- wäre es hier und da, wenn man will, nicht so sehr Zutrauen
als Gleichgültigkeit gegen die Wissenschaft selbst gewesen
und das Lehramt derselben nur traditionell beibehalten worden
(wie man denn, soviel mir bekannt ist, in Frankreich
die Lehrstühle der Metaphysik wenigstens hat eingehen lassen) -,
so ist ihnen vielfältig jenes Zutrauen schlecht vergolten worden,
oder wo man, im andern Fall, Gleichgültigkeit sehen wollte,
so wäre der Erfolg, das Verkommen gründlicher Erkenntnis,
als ein Büßen dieser Gleichgültigkeit anzusehen.

Zunächst scheint wohl die Seichtigkeit etwa am allerverträglichsten
wenigstens mit äußerer Ordnung und Ruhe zu sein,
weil sie nicht dazu kommt, die Substanz der Sachen zu berühren,
ja nur zu ahnen;
sie würde somit, zunächst wenigstens, polizeilich nichts gegen sich haben,
wenn nicht der Staat noch das Bedürfnis tieferer Bildung
und Einsicht in sich schlösse
und die Befriedigung desselben von der Wissenschaft forderte.

Aber die Seichtigkeit führt von selbst in Rücksicht des Sittlichen,
des Rechts und der Pflicht überhaupt, auf diejenigen Grundsätze,
welche in dieser Sphäre das Seichte ausmachen,
auf die Prinzipien der Sophisten, die wir aus Platon so entschieden kennenlernen,
- die Prinzipien, welche das, was Recht ist,
auf die subjektiven Zwecke und Meinungen,((21))
auf das subjektive Gefühl und die partikuläre Überzeugung stellen,
- Prinzipien, aus welchen die Zerstörung
ebenso der inneren Sittlichkeit und des rechtschaffenen Gewissens,
der Liebe und des Rechts unter den Privatpersonen,
als die Zerstörung der öffentlichen Ordnung und der Staatsgesetze folgt.

Die Bedeutung,
welche dergleichen Erscheinungen für die Regierungen gewinnen müssen,
wird sich nicht etwa durch den Titel abweisen lassen,
der sich auf das geschenkte Zutrauen selbst
und auf die Autorität eines Amtes stützte, um an den Staat zu fordern,
daß er das, was die substantielle Quelle von den Taten,
die allgemeinen Grundsätze, verdirbt,
und sogar dessen Trotz, als ob es sich so gehörte,
gewähren und walten lassen solle.

Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand, ist ein alter Scherz,
den man wohl in unsern Zeiten nicht gar für Ernst wird behaupten wollen.


In der Wichtigkeit der Art und Weise des Philosophierens,
welche durch die Umstände bei den Regierungen aufgefrischt worden ist,
läßt sich das Moment des Schutzes und Vorschubs nicht verkennen,
dessen das Studium der Philosophie nach vielen anderen Seiten hin
bedürftig geworden zu sein scheint.

Denn liest man in so vielen Produktionen aus dem Fache der positiven Wissenschaften,
ingleichen der religiösen Erbaulichkeit und anderer unbestimmter Literatur,
wie darin nicht nur die vorhin erwähnte
Verachtung gegen die Philosophie bezeigt ist,
daß solche, die zugleich beweisen, daß sie in der Gedankenbildung
völlig zurück sind und Philosophie ihnen etwas ganz Fremdes ist,
doch sie als etwas bei sich Abgetanes behandeln,
- sondern wie daselbst ausdrücklich gegen die Philosophie losgezogen
und ihr Inhalt, die begreifende Erkenntnis Gottes
und der physischen und geistigen Natur, die Erkenntnis der Wahrheit
als für eine törichte, ja sündhafte Anmaßung erklärt,
wie die Vernunft, und wieder die Vernunft, und in unendlicher Wiederholung
die Vernunft angeklagt, herabgesetzt und verdammt,
- oder wie wenigstens zu erkennen gegeben wird, wie unbequem
bei einem großen Teile des wissenschaftlich sein sollenden Treibens
die ((22)) doch unabwendbaren Ansprüche des Begriffes fallen,
- wenn man, sage ich, dergleichen Erscheinungen vor sich hat,
so möchte man beinahe dem Gedanken Raum geben, daß von dieser Seite
die Tradition nicht mehr ehrwürdig noch hinreichend wäre,
dem philosophischen Studium die Toleranz
und die öffentliche Existenz zu sichern. °

° Fuß
Dergleichen Ansichten fielen mir bei einem Briefe Joh. v. Müllers
(Werke [Tübingen 1810-19], Teil VIII, S. 56) ein,
wo es vom Zustande Roms im Jahre 1803,
als diese Stadt unter französischer Herrschaft stand, unter anderem heißt:
" Befragt, wie es um die öffentlichen Lehranstalten stehe,
antwortete ein Professor: On les tolere comme les bordels."

- Die sogenannte Vernunftlehre, nämlich die Logik,
kann man wohl sogar noch empfehlen hören,
etwa mit der Überzeugung, daß man sich mit ihr als trockener
und unfruchtbarer Wissenschaft entweder ohnehin nicht mehr beschäftige
oder, wenn dies hin und wieder geschehe, man in ihr
nur inhaltslose, also nichtsgebende und nichtsverderbende Formeln erhalte,
daß somit die Empfehlung auf keinen Fall schaden sowie nichts nutzen werde.

Ende Fuß


- Die zu unserer Zeit gang und gäben Deklamationen und Anmaßungen
gegen die Philosophie bieten das sonderbare Schauspiel dar,
daß sie durch jene Seichtigkeit,
zu der diese Wissenschaft degradiert worden ist,
einerseits ihr Recht haben
und andererseits selbst in diesem Elemente wurzeln,
gegen das sie undankbar gerichtet sind.

Denn indem jenes sich so nennende Philosophieren
die Erkenntnis der Wahrheit für einen törichten Versuch erklärt hat,
hat es, wie der Despotismus der Kaiser Roms
Adel und Sklaven, Tugend und Laster, Ehre und Unehre,
Kenntnis und Unwissenheit gleich gemacht hat,
alle Gedanken und alle Stoffe nivelliert,
- so daß die Begriffe des Wahren, die Gesetze des Sittlichen
auch weiter nichts sind als Meinungen und subjektive Überzeugungen
und die verbrecherischsten Grundsätze als Überzeugungen
mit jenen Gesetzen in gleiche Würde gestellt sind,
und daß ebenso jede noch so kahlen und partikularen Objekte
und noch so strohernen Materien in gleiche Würde gestellt sind mit dem,
was das Interesse aller denkenden Menschen
und die Bänder der sittlichen Welt ausmacht.


Es ist darum als ein Glück für die Wissenschaft zu achten ((23))
- in der Tat ist es, wie bemerkt, die Notwendigkeit der Sache -,
daß jenes Philosophieren,
das sich als eine Schulweisheit in sich fortspinnen mochte,
sich in näheres Verhältnis mit der Wirklichkeit gesetzt hat,
in welcher es mit den Grundsätzen der Rechte und der Pflichten Ernst ist
und welche im Tage des Bewußtseins derselben lebt,
und daß es somit zum öffentlichen Bruche gekommen ist.

Es ist eben diese Stellung der Philosophie zur Wirklichkeit,
welche die Mißverständnisse betreffen,
und ich kehre hiermit zu dem zurück, was ich vorhin bemerkt habe,
daß die Philosophie, weil sie das Ergründen des Vernünftigen ist,
eben damit das Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen,
nicht das Aufstellen eines Jenseitigen ist, das Gott weiß wo sein sollte
- oder von dem man in der Tat wohl zu sagen weiß, wo es ist,
nämlich in dem Irrtum eines einseitigen, leeren Räsonierens.

Im Verlaufe der folgenden Abhandlung habe ich bemerkt,
daß selbst die Platonische Republik,
welche als das Sprichwort eines leeren Ideals gilt,
wesentlich nichts aufgefaßt hat als die Natur der griechischen Sittlichkeit,
und daß dann im Bewußtsein des in sie einbrechenden tieferen Prinzips,
das an ihr unmittelbar nur als eine noch unbefriedigte Sehnsucht
und damit nur als Verderben erscheinen konnte,
Platon aus eben der Sehnsucht die Hilfe dagegen hat suchen müssen,
aber sie, die aus der Höhe kommen musste, zunächst nur
in einer äußeren besonderen Form jener Sittlichkeit suchen konnte,
durch welche er jenes Verderben zu gewältigen sich ausdachte
und wodurch er ihren tieferen Trieb, die freie unendliche Persönlichkeit,
gerade am tiefsten verletzte.

Dadurch aber hat er sich als der große Geist bewiesen,
daß eben das Prinzip, um welches sich das Unterscheidende seiner Idee dreht,
die Angel ist, um welche die [damals]° bevorstehende Umwälzung der Welt
sich gedreht hat.


Was vernünftig ist, das ist wirklich;
und was wirklich ist, das ist vernünftig. ((24)) > >


In dieser Überzeugung steht jedes unbefangene Bewußtsein
wie die Philosophie, und hiervon geht diese
ebenso in Betrachtung des geistigen Universums aus als des natürlichen.

Wenn die Reflexion,
das Gefühl oder welche Gestalt das subjektive Bewußtsein habe,
die Gegenwart für ein Eitles ansieht, über sie hinaus ist und es besser weiß,
so befindet es sich im Eitlen,
und weil es Wirklichkeit nur in der Gegenwart hat, ist es so selbst nur Eitelkeit.

Wenn umgekehrt die Idee für das gilt,
was nur so eine Idee, eine Vorstellung in einem Meinen ist,
so gewährt hingegen die Philosophie die Einsicht,
daß nichts wirklich ist als die Idee.

Darauf kommt es dann an,
in dem Scheine des Zeitlichen und Vorübergehenden die Substanz,
die immanent, und das Ewige, das gegenwärtig ist, zu erkennen.

Denn das Vernünftige, was synonym ist mit der Idee,
indem es in seiner Wirklichkeit zugleich in die äußere Existenz tritt,
tritt in einem unendlichen Reichtum von Formen,
Erscheinungen und Gestaltungen hervor
und umzieht seinen Kern mit der bunten Rinde,
in welcher das Bewußtsein zunächst haust,
welche der Begriff erst durchdringt, um den inneren Puls zu finden
und ihn ebenso in den äußeren Gestaltungen noch schlagend zu fühlen.

Die unendlich mannigfaltigen Verhältnisse aber,
die sich in dieser Äußerlichkeit, durch das Scheinen des Wesens in sie, bilden,
dieses unendliche Material und seine Regulierung
ist nicht Gegenstand der Philosophie.

Sie mischte sich damit in Dinge, die sie nicht angehen;
guten Rat darüber zu erteilen, kann sie sich ersparen;
Platon konnte es unterlassen,
den Ammen anzuempfehlen, mit den Kindern nie stillezustehen,
sie immer auf den Armen zu schaukeln,
ebenso Fichte die Vervollkommnung der Paßpolizei bis dahin,
wie man es nannte, zu konstruieren, daß von den Verdächtigen
nicht nur das Signalement in den Paß gesetzt,
sondern das Porträt darin gemalt werden solle.

In dergleichen Ausführungen ist von Philosophie keine Spur mehr zu sehen,
und sie kann dergleichen Ultraweisheit um so mehr lassen,
als sie über diese unendliche Menge von Gegenständen
gerade am liberalsten ((25)) sich zeigen soll.

Damit wird die Wissenschaft auch von dem Hasse,
den die Eitelkeit des Besserwissens auf eine Menge von Umständen
und Institutionen wirft
- ein Haß, in welchem sich die Kleinlichkeit am meisten gefällt,
weil sie nur dadurch zu einem Selbstgefühl kommt -,
sich am entferntesten zeigen.


So soll denn diese Abhandlung, insofern sie die Staatswissenschaft enthält,
nichts anderes sein als der Versuch,
den Staat als ein in sich Vernünftiges zu begreifen und darzustellen.

Als philosophische Schrift muss sie am entferntesten davon sein,
einen Staat, wie er sein soll, konstruieren zu sollen;
die Belehrung, die in ihr liegen kann, kann nicht darauf gehen,
den Staat zu belehren, wie er sein soll,
sondern vielmehr, wie er, das sittliche Universum, erkannt werden soll.


 XXX XXX
Hic Rhodus, hic saltus.


Das was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie,
denn das was ist, ist die Vernunft.

Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit;
so ist auch die Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfaßt.

Es ist ebenso töricht zu wähnen,
irgendeine Philosophie gehe über ihre gegenwärtige Welt hinaus,
als, ein Individuum überspringe seine Zeit, springe über Rhodus hinaus.

Geht seine Theorie  in der Tat drüber hinaus,
baut es sich eine Welt, wie sie sein soll, so existiert sie wohl,
aber nur in seinem Meinen - einem weichen Elemente,
dem sich alles Beliebige einbilden läßt.


Mit weniger Veränderung würde jene Redensart lauten:


Hier ist die Rose, hier tanze.


Was zwischen der Vernunft als selbstbewußtem Geiste
und der Vernunft als vorhandener Wirklichkeit liegt,
was jene Vernunft von dieser scheidet
und in ihr nicht die Befriedigung finden läßt,
ist die Fessel irgendeines Abstraktums, das nicht zum Begriffe befreit ist.

Die Vernunft als die Rose im Kreuze der Gegenwart zu erkennen
und damit dieser sich zu ((26)) erfreuen,
diese vernünftige Einsicht ist die Versöhnung mit der Wirklichkeit,
welche die Philosophie denen gewährt,
an die einmal die innere Anforderung ergangen ist zu begreifen
und in dem, was substantiell ist, ebenso die subjektive Freiheit zu erhalten
sowie mit der subjektiven Freiheit nicht in einem Besonderen und Zufälligen
sondern in dem was an und für sich ist, zu stehen.


Dies ist es auch, was den konkreteren Sinn dessen ausmacht, was oben
abstrakter als Einheit der Form und des Inhalts bezeichnet worden ist,
denn die Form in ihrer konkretesten Bedeutung
ist die Vernunft als begreifendes Erkennen,
und der Inhalt die Vernunft als das substantielle Wesen der sittlichen
wie der natürlichen Wirklichkeit;
die bewußte Identität von beidem ist die philosophische Idee.

- Es ist ein großer Eigensinn,
der Eigensinn, der dem Menschen Ehre macht,
nichts in der Gesinnung anerkennen zu wollen,
was nicht durch den Gedanken gerechtfertigt ist,
- und dieser Eigensinn ist das Charakteristische der neueren Zeit,
ohnehin das eigentümliche Prinzip des Protestantismus.

Was Luther als Glauben im Gefühl und im Zeugnis des Geistes begonnen,
es ist dasselbe, was der weiterhin gereifte Geist im Begriffe zu fassen
und so in der Gegenwart sich zu befreien
und dadurch in ihr sich zu finden bestrebt ist.

Wie es ein berühmtes Wort geworden ist,
daß eine halbe Philosophie von Gott abführe
- und es ist dieselbe Halbheit, die das Erkennen
in eine Annäherung zur Wahrheit setzt -,
die wahre Philosophie aber zu Gott führe,
so ist es dasselbe mit dem Staate.

So wie die Vernunft sich nicht mit der Annäherung,
als welche weder kalt noch warm ist und darum ausgespien wird, begnügt,
ebensowenig begnügt sie sich mit der kalten Verzweiflung, die zugibt,
daß es in dieser Zeitlichkeit wohl schlecht oder höchstens mittelmäßig zugehe,
aber eben in ihr nichts Besseres zu haben
und nur darum Frieden mit der Wirklichkeit zu halten sei;
es ist ein wärmerer Friede mit ihr, den die Erkenntnis verschafft.


Um noch über das Belehren, wie die Welt sein soll, ein Wort ((27)) zu sagen,
so kommt dazu ohnehin die Philosophie immer zu spät.

Als der Gedanke der Welt erscheint sie erst in der Zeit,
nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozeß vollendet
und sich fertig gemacht hat.

Dies, was der Begriff lehrt, zeigt notwendig ebenso die Geschichte,
daß erst in der Reife der Wirklichkeit das Ideale dem Realen gegenüber erscheint
und jenes sich dieselbe Welt, in ihrer Substanz erfaßt,
in Gestalt eines intellektuellen Reichs erbaut.

Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt,
dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden,
und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen;
die Eule der Minerva
beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.

Doch es ist Zeit, dieses Vorwort zu schließen;
als Vorwort kam ihm ohnehin nur zu, äußerlich und subjektiv
von dem Standpunkt der Schrift, der es vorangeschickt ist, zu sprechen.

Soll philosophisch von einem Inhalte gesprochen werden,
so verträgt er nur eine wissenschaftliche, objektive Behandlung,
wie denn auch dem Verfasser
Widerrede anderer Art als eine wissenschaftliche Abhandlung der Sache selbst
nur für ein subjektives Nachwort und beliebige Versicherung gelten
und ihm gleichgültig sein muß.


Berlin, den 25. Juni 1820. ((28))


Einleitung




§ 1 °
Die philosophische Rechtswissenschaft hat die Idee des Rechts,
    den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung
zum Gegenstande.


Anm.
Die Philosophie hat es mit Ideen
und darum nicht mit dem, was man bloße Begriffe zu heißen pflegt,
zu tun,
sie zeigt vielmehr deren Einseitigkeit und Unwahrheit auf,
sowie daß der Begriff
(nicht das, was man oft so nennen hört,
aber nur eine abstrakte Verstandesbestimmung ist)
allein es ist, was Wirklichkeit hat und zwar so, daß er sich diese selbst gibt.

Alles, was nicht diese durch den Begriff selbst gesetzte Wirklichkeit ist,
ist vorübergehendes Dasein, äußerliche Zufälligkeit, Meinung,
wesenlose Erscheinung, Unwahrheit, Täuschung usf.

Die Gestaltung, welche sich der Begriff in seiner Verwirklichung gibt,
ist zur Erkenntnis des Begriffes selbst das andere,
von der Form, nur als Begriff zu sein,
unterschiedene wesentliche Moment der Idee.


Zusatz.
Der Begriff und seine Existenz sind zwei Seiten, geschieden und einig,
wie Seele und Leib.

Der Körper ist dasselbe Leben als die Seele,
und dennoch können beide als auseinanderliegende genannt werden.

Eine Seele ohne Leib wäre nichts Lebendiges, und ebenso umgekehrt.

So ist das Dasein des Begriffs sein Körper,
so wie dieser der Seele, die ihn hervorbrachte, gehorcht.

Die Keime haben den Baum in sich und enthalten seine ganze Kraft,
obgleich sie noch nicht er selbst sind.

Der Baum entspricht ganz dem einfachen Bilde des Keimes.

Entspricht der Körper nicht der Seele, so ist es eben etwas Elendes.

Die Einheit des Daseins und des Begriffs, des Körpers und der Seele
ist die Idee.

Sie ist nicht nur Harmonie, sondern vollkommene Durchdringung.

Nichts lebt, was nicht auf irgendeine Weise Idee ist.

Die Idee des Rechts ist die Freiheit,
und um wahrhaft aufgefaßt zu werden,
muss sie in ihrem Begriff und in dessen Dasein zu erkennen sein.


§ 2
Die Rechtswissenschaft ist ein Teil der Philosophie.

Sie hat daher die Idee, als welche die Vernunft eines Gegenstandes ist,
aus dem Begriffe zu entwickeln oder, was dasselbe ist,
der eigenen immanenten Entwicklung der Sache selbst zuzusehen.

Als Teil hat sie einen bestimmten Anfangspunkt,
welcher das Resultat und die Wahrheit von dem ist,
was vorhergeht und was den sogenannten Beweis desselben ausmacht.

Der Begriff des Rechts fällt daher seinem Werden nach
außerhalb der Wissenschaft des Rechts,
seine Deduktion ist hier vorausgesetzt, und er ist als gegeben aufzunehmen.


Zusatz.
Die Philosophie bildet einen Kreis:
sie hat ein Erstes, Unmittelbares, da sie überhaupt anfangen muss,
ein nicht Erwiesenes, das kein Resultat ist.

Aber womit die Philosophie anfängt, ((30)) ist unmittelbar relativ,
indem es an einem andern Endpunkt als Resultat erscheinen muß.

Sie ist eine Folge, die nicht in der Luft hängt,
nicht ein unmittelbar Anfangendes, sondern sie ist sich rundend.


Anm.
Nach der formellen, nicht philosophischen Methode der Wissenschaften
wird zuerst die Definition,
wenigstens um der äußeren wissenschaftlichen Form wegen,
gesucht und verlangt.

Der positiven Rechtswissenschaft
kann es übrigens auch darum nicht sehr zu tun sein,
da sie vornehmlich darauf geht, anzugeben, was Rechtens ist,
d. h. welches die besonderen gesetzlichen Bestimmungen sind,
weswegen man zur Warnung sagte: omnis definitio in iure civili periculosa.

Und in der Tat, je unzusammenhängender und widersprechender in sich
die Bestimmungen eines Rechtes sind,
desto weniger sind Definitionen in demselben möglich,
denn diese sollen vielmehr allgemeine Bestimmungen enthalten,
diese aber machen unmittelbar das Widersprechende,
hier das Unrechtliche, in seiner Blöße sichtbar.

So z. B. wäre für das römische Recht keine Definition vom Menschen möglich,
denn der Sklave ließe sich darunter nicht subsumieren,
in seinem Stand ist jener Begriff vielmehr verletzt;
ebenso perikulös würde die Definition von Eigentum und Eigentümer
für viele Verhältnisse erscheinen.

- Die Deduktion aber der Definition wird etwa aus der Etymologie,
vornehmlich daraus geführt,
daß sie aus den besonderen Fällen abstrahiert
und dabei das Gefühl und die Vorstellung der Menschen
zum Grunde gelegt wird.

Die Richtigkeit der Definition wird dann
in die Übereinstimmung mit den vorhandenen Vorstellungen gesetzt.

Bei dieser Methode wird das, was allein wissenschaftlich wesentlich ist,
in Ansehung des Inhalts
die Notwendigkeit der Sache an und für sich selbst (hier des Rechts),
in Ansehung der Form aber die Natur des Begriffs,
beiseite gestellt.

Vielmehr ist in der philosophischen Erkenntnis
die Notwendigkeit eines Begriffs die Hauptsache,
und der Gang, als Resultat, geworden zu ((31)) sein,
[ist ] sein Beweis und Deduktion.

Indem so sein Inhalt für sich notwendig ist,
so ist das Zweite, sich umzusehen,
was in den Vorstellungen und in der Sprache demselben entspricht.

Wie aber dieser Begriff für sich in seiner Wahrheit
und wie er in der Vorstellung ist,
dies kann nicht nur verschieden voneinander,
sondern muss es auch der Form und Gestalt nach sein.

Wenn jedoch die Vorstellung nicht auch ihrem Inhalte nach falsch ist,
kann wohl der Begriff als in ihr enthalten
und, seinem Wesen nach, in ihr vorhanden aufgezeigt,
d. h. die Vorstellung zur Form des Begriffs erhoben werden.

Aber sie ist so wenig Maßstab und Kriterium
des für sich selbst notwendigen und wahren Begriffs,
daß sie vielmehr ihre Wahrheit aus ihm zu nehmen,
sich aus ihm zu berichtigen und zu erkennen hat.

- Wenn aber jene Weise des Erkennens
mit ihren Förmlichkeiten von Definitionen, schließen, Beweisen und dergleichen
einerseits mehr oder weniger verschwunden ist,
so ist es dagegen ein schlimmer Ersatz,
den sie durch eine andere Manier erhalten hat,
nämlich die Ideen überhaupt,
so auch die des Rechts und dessen weiterer Bestimmungen,
als Tatsachen des Bewußtseins unmittelbar aufzugreifen und zu behaupten
und das natürliche oder ein gesteigertes Gefühl,
die eigne Brust und die Begeisterung zur Quelle des Rechts zu machen.

Wenn diese Methode die bequemste unter allen ist,
so ist sie zugleich die unphilosophischste
- andere Seiten solcher Ansicht hier nicht zu erwähnen,
die nicht bloß auf das Erkennen,
sondern unmittelbar auf das Handeln Beziehung hat.

Wenn die erste zwar formelle Methode
doch noch die Form des Begriffes in der Definition
und im Beweise die Form einer Notwendigkeit des Erkennens fordert,
so macht die Manier des unmittelbaren Bewußtseins und Gefühls
die Subjektivität, Zufälligkeit und Willkür des Wissens zum Prinzip.

- Worin das wissenschaftliche Verfahren der Philosophie bestehe,
ist hier aus der philosophischen Logik vorauszusetzen. ((32))


§ 3
Das Recht ist positiv überhaupt
a) durch die Form, in einem Staate Gültigkeit zu haben,
und diese gesetzliche Autorität ist das Prinzip für die Kenntnis desselben,
die positive Rechtswissenschaft.

b) Dem Inhalte nach erhält dies Recht ein positives Element
a) durch den besonderen Nationalcharakter eines Volkes,
die Stufe seiner geschichtlichen Entwicklung
und den Zusammenhang aller der Verhältnisse,
die der Naturnotwendigkeit angehören;
ß ) durch die Notwendigkeit,
daß ein System eines gesetzlichen Rechts
die Anwendung des allgemeinen Begriffes
auf die besondere von außen sich gebende
Beschaffenheit der Gegenstände und Fälle enthalten muß
- eine Anwendung,
die nicht mehr spekulatives Denken und Entwicklung des Begriffes,
sondern Subsumtion des Verstandes ist;
y) durch die für die Entscheidung in der Wirklichkeit erforderlichen
letzten Bestimmungen.


Anm.
Wenn dem positiven Rechte und den Gesetzen
das Gefühl des Herzens, Neigung und Willkür entgegengesetzt wird,
so kann es wenigstens nicht die Philosophie sein,
welche solche Autoritäten anerkennt.

- Daß Gewalt und Tyrannei ((34))
ein Element des positiven Rechts sein kann,
ist demselben zufällig und geht seine Natur nicht an.

Es wird späterhin, § 211-214, die Stelle aufgezeigt werden,
wo das Recht positiv werden muß.

Hier sind die daselbst sich ergeben werdenden Bestimmungen
nur angeführt worden, um die Grenze des philosophischen Rechts zu bezeichnen
und um sogleich die etwaige Vorstellung oder gar Forderung zu beseitigen,
als ob durch dessen systematische Entwicklung ein positives Gesetzbuch,
d. i. ein solches, wie der wirkliche Staat eines bedarf,
herauskommen solle.

- Daß das Naturrecht oder das philosophische Recht
vom positiven verschieden ist, dies darein zu verkehren,
daß sie einander entgegengesetzt und widerstreitend sind,
wäre ein großes Mißverständnis;
jenes ist zu diesem vielmehr im Verhältnis
von Institutionen zu Pandekten [ Sammlung v. Rechtsgrundsätzen].

- In Ansehung des im Paragraphen zuerst genannten
geschichtlichen Elements im positiven Rechte
hat Montesquieu die wahrhafte historische Ansicht,
den echt philosophischen Standpunkt angegeben,
die Gesetzgebung überhaupt und ihre besonderen Bestimmungen
nicht isoliert und abstrakt zu betrachten,
sondern vielmehr als abhängiges Moment einer Totalität,
im Zusammenhange mit allen übrigen Bestimmungen,
welche den Charakter einer Nation und einer Zeit ausmachen;
in diesem Zusammenhange erhalten sie ihre wahrhafte Bedeutung
sowie damit ihre Rechtfertigung.

- Das in der Zeit erscheinende Hervortreten
und Entwickeln von Rechtsbestimmungen zu betrachten,
diese rein geschichtliche Bemühung,
sowie die Erkenntnis ihrer verständigen Konsequenz,
die aus der Vergleichung derselben
mit bereits vorhandenen Rechtsverhältnissen hervorgeht,
hat in ihrer eigenen Sphäre ihr Verdienst und ihre Würdigung
und steht außer dem Verhältnis mit der philosophischen Betrachtung,
insofern nämlich die Entwicklung aus historischen Gründen
sich nicht selbst verwechselt mit der Entwicklung aus dem Begriffe
und die geschichtliche Erklärung und Rechtfertigung
nicht zur Bedeutung ((35)) einer an und für sich gültigen Rechtfertigung
ausgedehnt wird.

Dieser Unterschied, der sehr wichtig und wohl festzuhalten ist,
ist zugleich sehr einleuchtend;
eine Rechtsbestimmung kann sich aus den Umständen
und vorhandenen Rechtsinstitutionen
als vollkommen gegründet und konsequent zeigen lassen
und doch an und für sich unrechtlich und unvernünftig sein,
wie eine Menge der Bestimmungen des römischen Privatrechts,
die aus solchen Institutionen als die römische väterliche Gewalt,
der römische Ehestand ganz konsequent flossen.

Es seien aber auch die Rechtsbestimmungen rechtlich und vernünftig,
so ist es etwas ganz anderes, dies von ihnen aufzuzeigen,
was allein durch den Begriff wahrhaftig geschehen kann,
und ein anderes, das Geschichtliche ihres Hervortretens darzustellen,
die Umstände, Fälle, Bedürfnisse und Begebenheiten,
welche ihre Feststellung herbeigeführt haben.

Ein solches Aufzeigen und (pragmatisches) Erkennen
aus den näheren oder entfernteren geschichtlichen Ursachen
heißt man häufig: Erklären oder noch lieber Begreifen,
in der Meinung, als ob durch dieses Aufzeigen des Geschichtlichen
alles oder vielmehr das Wesentliche, worauf es allein ankomme, geschehe,
um das Gesetz oder Rechtsinstitution zu begreifen,
während vielmehr das wahrhaft Wesentliche, der Begriff der Sache,
dabei gar nicht zur Sprache gekommen ist.

- Man pflegt so auch von den römischen, germanischen Rechtsbegriffen,
von Rechtsbegriffen,
wie sie in diesem oder jenem Gesetzbuche bestimmt seien, zu sprechen,
während dabei nichts von Begriffen,
sondern allein allgemeine Rechtsbestimmungen,
Verstandessätze, Grundsätze, Gesetze u. dgl. vorkommen.

- Durch Hintansetzung jenes Unterschiedes gelingt es,
den Standpunkt zu verrücken und die Frage nach der wahrhaften Rechtfertigung
in eine Rechtfertigung aus Umständen,
Konsequenz aus Voraussetzungen,
die für sich etwa ebensowenig taugen usf., hinüberzuspielen
und überhaupt das Relative an die Stelle des Absoluten,
die ((36)) äußerliche Erscheinung an die Stelle der Natur der Sache zu setzen.

Es geschieht der geschichtlichen Rechtfertigung,
wenn sie das äußerliche Entstehen
mit dem Entstehen aus dem Begriffe verwechselt,
daß sie dann bewußtlos das Gegenteil dessen tut, was sie beabsichtigt.

Wenn das Entstehen einer Institution unter ihren bestimmten Umständen
sich vollkommen zweckmäßig und notwendig erweist
und hiermit das geleistet ist, was der historische Standpunkt erfordert,
so folgt,
wenn dies für eine allgemeine Rechtfertigung der Sache selbst gelten soll,
vielmehr das Gegenteil, daß nämlich,
weil solche Umstände nicht mehr vorhanden sind,
die Institution hiermit vielmehr ihren Sinn und ihr Recht verloren hat. °

So, wenn z. B. für Aufrechterhaltung der Klöster
ihr Verdienst um Urbarmachung und Bevölkerung von Wüsteneien,
um Erhaltung der Gelehrsamkeit durch Unterricht und Abschreiben usf.
geltend gemacht und dies Verdienst als Grund und Bestimmung
für ihr Fortbestehen angesehen worden ist,
so folgt aus demselben vielmehr, daß sie unter den ganz veränderten Umständen,
insoweit wenigstens, überflüssig und unzweckmäßig geworden sind.

- Indem nun die geschichtliche Bedeutung,
das geschichtliche Aufzeigen und Begreiflichmachen des Entstehens
und die philosophische Ansicht
gleichfalls des Entstehens und Begriffes der Sache
in verschiedenen Sphären zu Hause sind,
so können sie insofern eine gleichgültige Stellung gegeneinander behalten.

Indem sie aber, auch im Wissenschaftlichen,
diese ruhige Stellung nicht immer behalten,
so führe ich noch etwas diese Berührung Betreffendes an,
wie es in Herrn [Gustav] Hugos Lehrbuchder Geschichte des römischen Rechts [1799] erscheint,
woraus zugleich eine weitere Erläuterung jener Manier des Gegensatzes
hervorgehen kann.

Herr Hugo führt daselbst (5. Auflage [1818], § 53) an,
>daß Cicero die zwölf Tafeln,
mit einem Seitenblicke auf die Philosophen ((37)), lobe<,
>der Philosoph Favorinus aber sie ganz ebenso behandle,
wie seitdem schon mancher große Philosoph
das positive Recht behandelt habe<.

Herr Hugo spricht ebendaselbst die ein für allemal fertige Erwiderung
auf solche Behandlung in dem Grunde aus,
>weil Favorinus die zwölf Tafeln ebensowenig als die Philosophen
das positive Recht verstanden<.

- Was die Zurechtweisung des Philosophen Favorinus
durch den Rechtsgelehrten Sextus Caecilius bei Gellius, Noctes Atticae, XX, 1 [22 f.],
betrifft,
so spricht sie zunächst das bleibende und wahrhafte Prinzip der Rechtfertigung
des seinem Gehalte nach bloß Positiven aus.

»XXX><< sagt Caecilius sehr gut zu Favorinus, »XXX« °

° Fuß
>>Du weißt sehr wohl, daß die Hilfs- und Heilmittel der Gesetze,
wenn sie wirksam sein sollen,
sich immer wieder umwandeln und verändern müssen,
je nach den Sitten der Zeit und den Arten der Staatsverfassung
sowie nach den Erfordernissen und Umständen der Gegenwart
und den Mängeln, denen abgeholfen werden muss,
und daß sie nicht in einem Zustand verharren dürfen,
ohne durch die Stürme der Ereignisse und des Zufalls
so der Veränderung unterworfen zu sein
wie die Gestalt und das Aussehen des Himmels und der Meere.

Was konnte heilsamer sein als jener Gesetzesvorschlag des Stolo . . .,
was nützlicher als der Gemeinbeschluß des Voconius . . .,
was hielt man für so notwendig wie das Licinische Gesetz . . .?

Und doch sind sie alle in Vergessenheit geraten und in den Schatten gestellt
durch die außerordentliche Wohlhabenheit des Staates . . . <<
EndeFuß

Diese Gesetze sind insofern positiv,
als sie ihre Bedeutung und Zweckmäßigkeit in den Umständen,
somit nur einen historischen Wert überhaupt haben;
deswegen sind sie ((38)) auch vergänglicher Natur.

Die Weisheit der Gesetzgeber und Regierungen in dem,
was sie für vorhandene Umstände getan
und für Zeitverhältnisse festgesetzt haben,
ist eine Sache für sich und gehört der Würdigung der Geschichte an,
von der sie um so tiefer anerkannt werden wird,
je mehr eine solche Würdigung
von philosophischen Gesichtspunkten unterstützt ist.

- Von den ferneren Rechtfertigungen der zwölf Tafeln
gegen den Favorinus aber will ich ein Beispiel anführen,
weil Caecilius dabei den unsterblichen Betrug der Methode des Verstandes
und seines Räsonierens anbringt,
nämlich für eine schlechte Sache einen guten Grund anzugeben
und zu meinen, sie damit gerechtfertigt zu haben.

Für das abscheuliche Gesetz,
welches dem Gläubiger nach den verlaufenen Fristen das Recht gab,
den Schuldner zu töten oder ihn als Sklaven zu verkaufen,
ja, wenn der Gläubiger mehrere waren,
von ihm sich Stücke abzuschneiden und ihn so unter sich zu teilen,
und zwar so, daß, wenn einer zu viel oder zu wenig abgeschnitten hätte,
ihm kein  Rechtsanteil daraus entstehen sollte
(eine Klausel, welche Shakespeares Shylock, im Kaufmann von Venedig,
zugute gekommen und von ihm dankbarst akzeptiert worden wäre),
- führt Caecilius den guten Grund an,
daß Treu und Glauben dadurch um so mehr gesichert [seien]
und es eben, um der Abscheulichkeit des Gesetzes willen,
nie zur Anwendung desselben habe kommen sollen.

Seiner Gedankenlosigkeit entgeht dabei nicht bloß die Reflexion,
daß eben durch diese Bestimmung jene Absicht,
die Sicherung der Treu und des Glaubens, vernichtet wird,
sondern daß er selbst unmittelbar darauf ein Beispiel
von der durch seine unmäßige Strafe verfehlten Wirkung des Gesetzes
über die falschen Zeugnisse anführt.

- Was aber Herr Hugo damit will,
daß Favorinus das Gesetz nicht verstanden habe, ist nicht abzusehen;
jeder Schulknabe ist wohl fähig, es zu verstehen,
und am besten würde der genannte Shylock auch noch die angeführte,
für ihn so ((39)) vorteilhafte Klausel verstanden haben;
- unter Verstehen müßte Herr Hugo
nur diejenige Bildung des Verstandes meinen,
welche sich bei einem solchen Gesetze durch einen guten Grund beruhigt.

- Ein anderes ebendaselbst
dem Favorinus vom Caecilius nachgewiesenes Nichtverstehen
kann übrigens ein Philosoph schon, ohne eben schamrot zu werden, eingestehen,
- daß nämlich iumentum, welches nur, >und nicht eine arcera<,
nach dem Gesetze einem Kranken, um ihn als Zeugen vor Gericht zu bringen,
zu leisten sei, nicht nur ein Pferd,
sondern auch eine Kutsche oder Wagen bedeutet haben soll.

Caecilius konnte aus dieser gesetzlichen Bestimmung
einen weiteren Beweis von der Vortrefflichkeit
und Genauigkeit der alten Gesetze ziehen,
daß sie sich nämlich sogar darauf einließen,
für die Sistierung eines kranken Zeugen vor Gericht
die Bestimmung nicht bloß bis zum Unterschiede
von einem Pferde und einem Wagen,
sondern von Wagen und Wagen,
einem bedeckten und ausgefütterten, wie Caecilius erläutert,
und einem, der nicht so bequem ist, zu treiben.

Man hätte hiermit die Wahl zwischen der Härte jenes Gesetzes
oder der Unbedeutendheit solcher Bestimmungen,
- aber die Unbedeutendheit von solchen Sachen
und vollends von den gelehrten Erläuterungen derselben auszusagen,
würde einer der größten Verstöße
gegen diese und andere Gelehrsamkeit sein.


Herr Hugo kommt aber auch im angeführten Lehrbuche
auf die Vernünftigkeit in Ansehung des römischen Rechts zu sprechen;
was mir davon aufgestoßen ist, ist folgendes.

Nachdem derselbe in der Abhandlung des Zeitraums
von Entstehung des Staats bis auf die zwölf Tafeln § 38 und 39 gesagt,
>daß man (in Rom) viele Bedürfnisse gehabt und genötigt war, zu arbeiten,
wobei man als Gehilfen Zug- und Lasttiere brauchte,
wie sie bei uns vorkommen,
daß der Boden eine Abwechslung von Hügeln und Tälern war
und die Stadt auf einem Hügel lag usw.<

- Anführungen, durch welche vielleicht der Sinn Montesquieus
hat erfüllt sein sollen,
wodurch man aber schwerlich seinen Geist getroffen finden wird -,
so führt er nun § 40 zwar an,
>daß der rechtliche Zustand noch sehr weit davon entfernt war,
den höchsten Forderungen der Vernunft ein Genüge zu tun<
(ganz richtig; das römische Familienrecht, die Sklaverei usf.
tut auch sehr geringen Forderungen der Vernunft kein Genüge),
aber bei den folgenden Zeiträumen vergißt Herr Hugo anzugeben,
in welchem und ob in irgendeinem derselben
das römische Recht den höchsten Forderungen der Vernunft
Genüge geleistet habe.

Jedoch von den juristischen Klassikern,
in dem Zeitraume der höchsten Ausbildung des römischen Rechts als Wissenschaft,
wird § 289 gesagt, >daß man schon lange bemerkt,
daß die juristischen Klassiker durch Philosophie gebildet waren<;
aber >wenige wissen
(durch die vielen Auflagen des Lehrbuchs des Herrn Hugo
wissen es nun doch mehrere),
daß es keine Art von Schriftstellern gibt,
die im konsequenten schließen aus Grundsätzen so sehr verdienten,
den Mathematikern und,
in einer ganz auffallenden Eigenheit der Entwicklung der Begriffe,
dem neueren Schöpfer der Metaphysik an die Seite gesetzt zu werden,
als gerade die römischen Rechtsgelehrten:
letzteres belege der merkwürdige Umstand,
daß nirgend so viele Trichotomien vorkommen
als bei den juristischen Klassikern und bei Kant<.

- Jene von Leibniz gerühmte Konsequenz
ist gewiß eine wesentliche Eigenschaft der Rechtswissenschaft,
wie der Mathematik und jeder anderen verständigen Wissenschaft;
aber mit der Befriedigung der Forderungen der Vernunft
und mit der philosophischen Wissenschaft
hat diese Verstandeskonsequenz noch nichts zu tun.

außerdem ist aber wohl die Inkonsequenz
der römischen Rechtsgelehrten und der Prätoren
als eine ihrer größten Tugenden zu achten,
als durch welche sie von ungerechten und abscheulichen Institutionen abwichen,
aber sich genötigt sahen, callide leere Wortunterschiede
(wie das, was doch auch Erbschaft war, eine Bonorum possessio zu nennen)
und ((41)) eine selbst alberne Ausflucht
(und Albernheit ist gleichfalls eine Inkonsequenz)
zu ersinnen, um den Buchstaben der Tafeln zu retten,
wie durch die fictio, XXX, eine filia sei ein filius
(Heineccius, Antiquitatum Romanarum.. . liber I [Frankfurt 1771], tit. II, § 24).

- Possierlich aber ist es, die juristischen Klassiker
wegen einiger trichotomischer Einteilungen
- vollends nach den daselbst Anm. 5 angeführten Beispielen -
mit Kant zusammengestellt
und so etwas Entwicklung der Begriffe geheißen zu sehen.


§ 4
Der Boden des Rechts ist überhaupt das Geistige
und seine nähere Stelle und Ausgangspunkt der Wille, welcher frei ist,
so daß die Freiheit seine Substanz und Bestimmung ausmacht
und das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freiheit,
die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht,
als eine zweite Natur, ist.


Zusatz.
Die Freiheit des Willens ist am besten
durch eine Hinweisung auf die physische Natur zu erklären.

Die Freiheit ist nämlich ebenso eine Grundbestimmung des Willens,
wie die Schwere eine Grundbestimmung der Körper ist.

Wenn man sagt, die Materie ist schwer,
so könnte man meinen, dieses Prädikat sei nur zufällig;
es ist es aber nicht, denn nichts ist unschwer an der Materie:
diese ist vielmehr die Schwere selbst.

Das Schwere macht den Körper aus und ist der Körper.

Ebenso ist es mit der Freiheit und dem Willen,
denn das Freie ist der Wille.

Wille ohne Freiheit ist ein leeres Wort,
so wie die Freiheit nur als Wille, als Subjekt wirklich ist.

Was aber den Zusammenhang des Willens mit dem Denken betrifft,
so ist darüber folgendes zu bemerken.

Der Geist ist das Denken überhaupt,
und der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch das Denken.

Aber man muss sich nicht vorstellen,
daß der Mensch einerseits denkend, andererseits wollend sei
und daß er in der einen Tasche das Denken, in der anderen das Wollen habe,
denn dies wäre eine leere Vorstellung.

Der Unterschied zwischen Denken und Willen
ist nur der zwischen dem theoretischen ((46)) und praktischen Verhalten,
aber es sind nicht etwa zwei Vermögen,
sondern der Wille ist eine besondere Weise des Denkens:
das Denken als sich übersetzend ins Dasein, als Trieb, sich Dasein zu geben.

Dieser Unterschied zwischen Denken und Willen kann so ausgedrückt werden.

Indem ich einen Gegenstand denke, mache ich ihn zum Gedanken
und nehme ihm das Sinnliche;
ich mache ihn zu etwas, das wesentlich und unmittelbar das Meinige ist:
denn erst im Denken bin ich bei mir,
erst das Begreifen ist das Durchbohren des Gegenstandes,
der nicht mehr mir gegenübersteht und dem ich das Eigene genommen habe,
das er für sich gegen mich hatte.

Wie Adam zu Eva sagt, du bist Fleisch von meinem Fleisch
und Bein von meinem Bein,
so sagt der Geist, dies ist Geist von meinem Geist,
und die Fremdheit ist verschwunden.

Jede Vorstellung ist eine Verallgemeinerung,
und diese gehört dem Denken an.

Etwas allgemein machen heißt, es denken.

Ich ist das Denken und ebenso das Allgemeine.

Wenn ich Ich sage, so lasse ich darin jede Besonderheit fallen,
den Charakter, das Naturell, die Kenntnisse, das Alter.

Ich ist ganz leer, punktuell, einfach, aber tätig in dieser Einfachheit.

Das bunte Gemälde der Welt ist vor mir:
ich stehe ihm gegenüber und hebe bei diesem Verhalten den Gegensatz auf,
mache diesen Inhalt zu dem meinigen.

Ich ist in der Welt zu Hause, wenn es sie kennt,
noch mehr, wenn es sie begriffen hat.

Soweit das theoretische Verhalten.

Das praktische Verhalten fängt dagegen beim Denken, beim Ich selbst an
und erscheint zuvörderst als entgegengesetzt,
weil es nämlich gleich eine Trennung aufstellt.

Indem ich praktisch, tätig bin, das heißt handele,
bestimme ich mich, und mich bestimmen heißt,
eben einen Unterschied setzen.

Aber diese Unterschiede, die ich setze,
sind dann wieder die meinigen, die Bestimmungen kommen mir zu,
und die Zwecke, wozu ich getrieben bin, gehören mir an.

Wenn ich nun auch diese Bestimmungen und Unterschiede herauslasse,
das heißt in die sogenannte Außenwelt setze, so bleiben sie doch die meinigen:
sie sind das, was ich getan, gemacht habe, sie tragen die Spur meines Geistes.

Wenn dieses nun der Unterschied
des theoretischen und praktischen Verhaltens ist,
so ist nunmehr das Verhältnis beider anzugeben.

Das Theoretische ist wesentlich im Praktischen enthalten:
es geht gegen die Vorstellung, daß beide getrennt sind,
denn man kann keinen Willen haben ohne Intelligenz.

Im Gegenteil, der Wille hält das Theoretische in sich:
der Wille bestimmt sich;
diese Bestimmung ist zunächst ein Inneres:
was ich will, stelle ich mir vor, ist Gegenstand für mich.

Das Tier handelt nach Instinkt, wird durch ein Inneres getrieben
und ist so auch praktisch,
aber es hat keinen Willen, weil es sich das nicht vorstellt, was es begehrt. ((47))

Ebensowenig kann man sich aber ohne Willen
theoretisch verhalten oder denken,
denn indem wir denken, sind wir eben tätig.

Der Inhalt des Gedachten erhält wohl die Form des Seienden,
aber dies Seiende ist ein Vermitteltes, durch unsere Tätigkeit Gesetztes.

Diese Unterschiede sind also untrennbar: sie sind eines und dasselbe,
und in jeder Tätigkeit, sowohl des Denkens als Wollens,
finden sich beide Momente.


Anm.
In Ansehung der Freiheit des Willens
kann an die vormalige Verfahrensart des Erkennens erinnert werden.

Man setzte nämlich die Vorstellung des Willens voraus und versuchte,
aus ihr eine Definition desselben herauszubringen und festzusetzen;
dann wurde nach der Weise der vormaligen empirischen Psychologie
aus den verschiedenen Empfindungen und Erscheinungen
des gewöhnlichen Bewußtseins als Reue, Schuld und dergleichen,
als welche sich nur aus dem freien Willen sollen erklären lassen,
der sogenannte Beweis geführt, daß der Wille frei sei.

Bequemer ist es aber, sich kurzweg daran zu halten,
daß die Freiheit als eine Tatsache des Bewußtseins gegeben sei
und an sie geglaubt werden müsse.

Daß der Wille frei und was Wille und Freiheit ist
- die Deduktion hiervon kann, wie schon bemerkt ist (§ 2),
allein im Zusammenhange des Ganzen stattfinden.

Die Grundzüge dieser Prämisse
- daß der Geist zunächst Intelligenz
und daß die Bestimmungen, durch welche sie in ihrer Entwicklung fortgeht,
vom Gefühl durch Vorstellen zum Denken der Weg sind,
sich als Wille hervorzubringen, welcher, als der praktische Geist überhaupt,
die nächste Wahrheit der Intelligenz ist
- habe ich in meiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (Heidelberg 1817) § 363-399 dargestellt und hoffe, deren weitere Ausführung dereinst geben zu können.

Es ist mir um so mehr Bedürfnis, dadurch, wie ich hoffe,
zu gründlicherer Erkenntnis der Natur des Geistes das Meinige beizutragen,
da sich, wie daselbst, § 367 Anm. °, bemerkt ist,
nicht leicht eine philosophische Wissenschaft
in ((48)) so vernachlässigtem und schlechtem Zustande befindet
als die Lehre vom Geiste, die man gewöhnlich Psychologie nennt.

- In Ansehung der in diesem und in den folgenden Paragraphen der Einleitung
angegebenen Momente des Begriffes des Willens,
welche das Resultat jener Prämisse sind,
kann sich übrigens zum Behuf des Vorstellens
auf das Selbstbewußtsein eines jeden berufen werden.

Jeder wird zunächst in sich finden,
von allem, was es sei, abstrahieren zu können,
und ebenso sich selbst bestimmen,
jeden Inhalt durch sich in sich setzen zu können,
und ebenso für die weiteren Bestimmungen
das Beispiel in seinem Selbstbewußtsein haben.


§ 5
Der Wille enthält
a) das Element der reinen Unbestimmtheit
oder der reinen Reflexion des Ich in sich,
in welcher jede Beschränkung,
jeder durch die Natur, die Bedürfnisse, Begierden und Triebe
unmittelbar vorhandene oder, wodurch es sei, gegebene und bestimmte Inhalt
aufgelöst ist;
die schrankenlose Unendlichkeit der absoluten Abstraktion oder Allgemeinheit,
das reine Denken seiner selbst.


Anm.
Diejenigen, welche das Denken als ein besonderes, eigentümliches Vermögen,
getrennt vom Willen, als einem gleichfalls eigentümlichen Vermögen,
betrachten und weiter gar das Denken als dem Willen,
besonders dem guten ((49)) Willen, für nachteilig halten,
zeigen sogleich von vornherein,
daß sie gar nichts von der Natur des Willens wissen;
eine Bemerkung, die über denselben Gegenstand
noch öfters zu machen sein wird.

- Wenn die eine hier bestimmte Seite des Willens
- diese absolute Möglichkeit, von jeder Bestimmung,
in der Ich mich finde oder die Ich in mich gesetzt habe,
abstrahieren zu können,
die Flucht aus allem Inhalte als einer Schranke -
es ist, wozu der Wille sich bestimmt
oder die für sich von der Vorstellung als die Freiheit festgehalten wird,
so ist dies die negative oder die Freiheit des Verstandes.

- Es ist die Freiheit der Leere,
welche zur wirklichen Gestalt und zur Leidenschaft erhoben [wird]
und zwar, bloß theoretisch bleibend,
im Religiösen der Fanatismus der indischen reinen Beschauung,
aber, zur Wirklichkeit sich wendend, im Politischen wie im Religiösen
der Fanatismus der Zertrümmerung
aller bestehenden gesellschaftlichen Ordnung
und die Hinwegräumung der einer Ordnung verdächtigen Individuen
wie die Vernichtung jeder sich wieder hervortun wollenden
Organisation wird.

Nur indem er etwas zerstört,
hat dieser negative Wille das Gefühl seines Daseins;
er meint wohl etwa irgendeinen positiven Zustand zu wollen,
z. B. den Zustand allgemeiner Gleichheit oder allgemeinen religiösen Lebens,
aber er will in der Tat nicht die positive Wirklichkeit desselben,
denn diese führt sogleich irgendeine Ordnung,
eine Besonderung sowohl von Einrichtungen als von Individuen herbei;
die Besonderung und objektive Bestimmung ist es aber,
aus deren Vernichtung dieser negativen Freiheit
ihr Selbstbewußtsein hervorgeht.

So kann das, was sie zu wollen meint,
für sich schon nur eine abstrakte Vorstellung
und die Verwirklichung derselben nur die Furie des Zerstörens sein.


Zusatz.
In diesem Elemente des Willens liegt, daß ich mich von allem losmachen,
alle Zwecke aufgeben, von allem abstrahieren kann.

Der Mensch allein kann alles fallen lassen, auch sein Leben:
er kann einen Selbstmord begehen;
das Tier kann dieses nicht;
es bleibt immer nur negativ;
in einer ihm fremden Bestimmung, an die es sich nur gewöhnt.

Der Mensch ist das reine Denken seiner selbst,
und nur denkend ist der Mensch diese Kraft, sich Allgemeinheit zu geben,
das heißt alle Besonderheit, alle Bestimmtheit zu verlöschen.

Diese negative Freiheit oder diese Freiheit des Verstandes ist einseitig,
aber dies Einseitige enthält immer eine wesentliche Bestimmung in sich:
es ist daher nicht wegzuwerfen,
aber der Mangel des Verstandes ist,
daß er eine einseitige Bestimmung zur einzigen und höchsten erhebt.

Geschichtlich kommt diese Form der Freiheit häufig vor.

Bei den Indern z. B. wird es für das Höchste gehalten,
bloß in dem Wissen seiner einfachen Identität mit sich zu verharren,
in diesem leeren Raum seiner Innerlichkeit zu verbleiben,
wie das farblose Licht in der reinen Anschauung,
und jeder Tätigkeit des Lebens, jedem Zweck,
jeder ((51)) Vorstellung zu entsagen.

Auf diese Weise wird der Mensch zu Brahman:
es ist kein Unterschied des endlichen Menschen und des Brahman mehr;
jede Differenz ist vielmehr in dieser Allgemeinheit verschwunden.

Konkreter erscheint diese Form im tätigen Fanatismus
des politischen wie des religiösen Lebens.

Dahin gehört z. B. die Schreckenszeit der Französischen Revolution,
in welcher aller Unterschied der Talente,
der Autorität aufgehoben werden sollte.

Diese Zeit war eine Erzitterung, ein Erbeben,
eine Unverträglichkeit gegen jedes Besondere;
denn der Fanatismus will ein Abstraktes, keine Gliederung:
wo sich Unterschiede hervortun,
findet er dieses seiner Unbestimmtheit zuwider und hebt sie auf.

Deswegen hat auch das Volk in der Revolution die Institutionen,
die es selbst gemacht hatte, wieder zerstört, weil jede Institution
dem abstrakten Selbstbewußtsein der Gleichheit zuwider ist.


§ 6
ß) Ebenso ist Ich das Übergehen aus unterschiedsloser Unbestimmtheit
zur Unterscheidung, Bestimmen und Setzen einer Bestimmtheit
als eines Inhalts und Gegenstands.

- Dieser Inhalt sei nun weiter als durch die Natur gegeben
oder aus dem Begriffe des Geistes erzeugt.

Durch dies Setzen seiner selbst als eines bestimmten
tritt Ich in das Dasein überhaupt;
- das absolute Moment der Endlichkeit oder Besonderung des Ich.


Anm.6
Dies zweite Moment der Bestimmung
ist ebenso Negativität, Aufheben als das erste
- es ist nämlich das Aufheben der ersten abstrakten Negativität.

- Wie das Besondere überhaupt im Allgemeinen,
so ist deswegen dies zweite Moment im ersten schon enthalten
und nur ein Setzen dessen, was das erste schon an sich ist;
- das erste Moment, als erstes für sich nämlich,
ist nicht die wahrhafte Unendlichkeit, oder konkrete Allgemeinheit, der Begriff,
- sondern nur ein Bestimmtes, Einseitiges;
nämlich weil es die Abstraktion von aller Bestimmtheit ist,
ist es selbst nicht ohne die Bestimmtheit;
und als ein Abstraktes, Einseitiges zu sein,
macht seine Bestimmtheit, Mangelhaftigkeit und Endlichkeit aus.

- Die Unterscheidung und Bestimmung der zwei angegebenen Momente ((52))
findet sich in der Fichteschen Philosophie, ebenso in der Kantischen usf.;
nur, um bei der Fichteschen Darstellung stehenzubleiben,
ist Ich als das Unbegrenzte (im ersten Satze der Fichteschen Wissenschaftslehre)
ganz nur als Positives genommen
(so ist es die Allgemeinheit und Identität des Verstandes),
so daß dieses abstrakte Ich für sich das Wahre sein soll
und daß darum ferner die Beschränkung
- das Negative überhaupt, sei es als eine gegebene, äußere Schranke
oder als eigene Tätigkeit des Ich -
(im zweiten Satze) hinzukommt.

- Die im Allgemeinen oder Identischen, wie im Ich,
immanente Negativität aufzufassen, war der weitere Schritt,
den die spekulative Philosophie zu machen hatte,
- ein Bedürfnis, von welchem diejenigen nichts ahnen,
welche den Dualismus der Unendlichkeit und Endlichkeit
nicht einmal in der Immanenz und Abstraktion, wie Fichte, auffassen. ((53))


Zusatz.
Dieses zweite Moment erscheint als das entgegengesetzte;
es ist in seiner allgemeinen Weise aufzufassen:
es gehört zur Freiheit, macht aber nicht die ganze Freiheit aus.

Das Ich geht hier aus unterschiedsloser Unbestimmtheit zur Unterscheidung,
zum Setzen einer Bestimmtheit als eines Inhalts und Gegenstandes über.

Ich will nicht bloß, sondern ich will etwas.

Ein Wille, der, wie im vorigen Paragraphen auseinandergesetzt ist,
nur das abstrakt Allgemeine will, will nichts und ist deswegen kein Wille.

Das Besondere, was der Wille will, ist eine Beschränkung,
denn der Wille muss, um Wille zu sein, sich überhaupt beschränken.

Daß der Wille etwas will, ist die Schranke, die Negation.

Die Besonderung ist so das, was in der Regel Endlichkeit genannt wird.

Gewöhnlich hält die Reflexion das erste Moment,
nämlich das Unbestimmte, für das Absolute und Höhere,
dagegen das Beschränkte für eine bloße Negation dieser Unbestimmtheit.

Aber diese Unbestimmtheit
ist selbst nur eine Negation gegen das Bestimmte, gegen die Endlichkeit:
Ich ist diese Einsamkeit und absolute Negation.

Der unbestimmte Wille ist insofern ebenso einseitig
als der bloß in der Bestimmtheit stehende.


§ 7
y) Der Wille ist die Einheit dieser beiden Momente;
- die in sich reflektierte und dadurch zur Allgemeinheit zurückgeführte Besonderheit;
- Einzelheit;
die Selbstbestimmung des Ich,
in einem sich als das Negative seiner selbst,
nämlich als bestimmt, beschränkt zu setzen
und bei sich, d. i. in seiner Identität mit sich und Allgemeinheit zu bleiben,
und in der Bestimmung, sich nur mit sich selbst zusammenzuschließen.
 
- Ich bestimmt sich,
insofern es die Beziehung der Negativität auf sich selbst ist;
als diese Beziehung auf sich ist es ebenso gleichgültig gegen diese Bestimmtheit,
weiß sie als die seinige und ideelle,
als eine bloße Möglichkeit, durch die es nicht gebunden ist,
sondern in der es nur ist, weil es sich in derselben setzt.

- Dies ist die Freiheit des Willens,
welche ((54)) seinen Begriff oder Substantialität,
seine Schwere so ausmacht wie die Schwere die Substantialität des Körpers.


Anm.
Jedes Selbstbewußtsein weiß sich als Allgemeines
- als die Möglichkeit, von allem Bestimmten zu abstrahieren -,
als Besonderes mit einem bestimmten Gegenstande, Inhalt, Zweck.

Diese beiden Momente sind jedoch nur Abstraktionen;
das Konkrete und Wahre (und alles Wahre ist konkret)
ist die Allgemeinheit, welche zum Gegensatze das Besondere hat,
das aber durch seine Reflexion in sich
mit dem Allgemeinen ausgeglichen ist.

- Diese Einheit ist die Einzelheit °,
aber sie nicht in ihrer Unmittelbarkeit als Eins,
wie die Einzelheit in der Vorstellung ist,
sondern nach ihrem Begriffe
(Enzykl. der philosoph. Wissenschaften, § 112-114 °),
- oder diese Einzelheit ist eigentlich nichts anderes als der Begriff selbst.

Jene beiden ersten Momente,
daß der Wille von allem abstrahieren könne
und daß er auch bestimmt sei - durch sich oder anderes -,
werden leicht zugegeben und gefaßt,
weil sie für sich unwahre und Verstandes-Momente sind;
aber das dritte, das Wahre und Spekulative
(und alles Wahre, insofern es begriffen wird,
kann nur spekulativ gedacht werden)
ist es, in welches einzugehen sich der Verstand weigert,
der immer gerade den Begriff das Unbegreifliche nennt.

Der Erweis und die nähere Erörterung dieses Innersten der Spekulation,
der Unendlichkeit als sich auf sich beziehender Negativität,
dieses letzten Quellpunktes aller Tätigkeit, Lebens und Bewußtseins,
gehört der Logik als der rein spekulativen Philosophie an.

- Es kann hier nur noch bemerklich gemacht werden, daß, wenn man so spricht:
der Wille ist allgemein, der Wille bestimmt sich,
man den Willen schon als vorausgesetztes Subjekt oder Substrat ausdrückt,
aber er ist nicht ein Fertiges und Allgemeines vor seinem Bestimmen
und vor dem Aufheben und der ((55)) Idealität dieses Bestimmens,
sondern er ist erst Wille
als diese sich in sich vermittelnde Tätigkeit und Rückkehr in sich.


Zusatz.
Das, was wir eigentlich Willen nennen,
enthält die beiden vorigen Momente in sich.

Ich ist zuvörderst als solches reine Tätigkeit,
das Allgemeine, das bei sich ist;
aber dieses Allgemeine bestimmt sich,
und insofern ist es nicht mehr bei sich,
sondern setzt sich als ein Anderes und hört auf, das Allgemeine zu sein.

Das Dritte ist nun,
daß es in seiner Beschränkung, in diesem Anderen bei sich selbst sei,
daß, indem es sich bestimmt, es dennoch bei sich bleibe
und nicht aufhöre, das Allgemeine festzuhalten:
dieses ist dann der konkrete Begriff der Freiheit,
während die beiden vorigen Momente durchaus abstrakt
und einseitig befunden worden sind.

Diese Freiheit haben wir aber schon in der Form der Empfindung,
z. B. in der Freundschaft und Liebe.

Hier ist man nicht einseitig in sich,
sondern man beschränkt sich gern in Beziehung auf ein Anderes,
weiß sich aber in dieser Beschränkung als sich selbst.

In der Bestimmtheit soll sich der Mensch nicht bestimmt fühlen,
sondern indem man das Andere als Anderes betrachtet,
hat man darin erst sein Selbstgefühl.

Die Freiheit liegt also weder in der Unbestimmtheit noch in der Bestimmtheit,
sondern sie ist beides.

Den Willen, der sich auf ein Dieses lediglich beschränkt, hat der Eigensinnige,
welcher unfrei zu sein vermeint, wenn er diesen Willen nicht hat.

Der Wille ist aber nicht an ein Beschränktes gebunden,
sondern muss weiter gehen,
denn die Natur des Willens ist nicht diese Einseitigkeit und Gebundenheit,
sondern die Freiheit ist, ein Bestimmtes zu wollen,
aber in dieser Bestimmtheit bei sich zu sein
und wieder in das Allgemeine zurückzukehren.


§ 8
Das weiter Bestimmte der Besonderung (ß. § 6)
macht den Unterschied der Formen des Willens aus:
a) insofern die ((57)) Bestimmtheit
der formelle Gegensatz von Subjektivem und Objektivem
als äußerlicher unmittelbarer Existenz ist,
so ist dies der formale Wille als Selbstbewußtsein,
welcher eine Außenwelt vorfindet
und als die in der Bestimmtheit in sich zurückkehrende Einzelheit
der Prozeß ist, den subjektiven Zweck
durch die Vermittlung der Tätigkeit und eines Mittels
in die Objektivität zu übersetzen.

Im Geiste, wie er an und für sich ist, als in welchem die Bestimmtheit
schlechthin die seinige und wahrhafte ist (Enzyklop., § 363 °440),
macht das Verhältnis des Bewußtseins
nur die Seite der Erscheinung des Willens aus,
welche hier nicht mehr für sich in Betrachtung kommt.


Zusatz.
Die Betrachtung der Bestimmtheit des Willens gehört dem Verstande an
und ist zunächst nicht spekulativ.

Der Wille ist überhaupt nicht nur im Sinne des Inhalts,
sondern auch im Sinne der Form bestimmt.

Die Bestimmtheit der Form nach ist der Zweck und die Ausführung des Zweckes:
der Zweck ist zunächst nur ein mir Innerliches, Subjektives,
aber er soll auch objektiv werden, den Mangel der bloßen Subjektivität abwerfen.

Man kann hier fragen: warum ist er dieser Mangel?

Wenn das, was Mangel hat, nicht zugleich über seinem Mangel steht,
so ist der Mangel für dasselbe kein Mangel.

Für uns ist das Tier ein Mangelhaftes, für sich nicht.

Der Zweck, insofern er nur erst unser ist, ist für uns ein Mangel,
denn Freiheit und Wille sind uns Einheit des Subjektiven und Objektiven.

Der Zweck ist also objektiv zu setzen
und kommt dadurch nicht in eine neue einseitige Bestimmung,
sondern nur zu seiner Realisation.


§ 9
b) Insofern die Willensbestimmungen die eigenen des Willens,
seine in sich reflektierte Besonderung überhaupt sind, sind sie Inhalt.

Dieser Inhalt als Inhalt des Willens
ist ihm nach der in a) angegebenen Form Zweck,
teils innerlicher oder subjektiver in dem vorstellenden Wollen,
teils durch die Vermittlung
der das Subjektive in die Objektivität übersetzenden Tätigkeit
verwirklichter, ausgeführter Zweck. ((59))


§ 10
Dieser Inhalt oder die unterschiedene Willensbestimmung
ist zunächst unmittelbar.

So ist der Wille nur an sich frei oder für uns,
oder es ist überhaupt der Wille in seinem Begriffe.

Erst indem der Wille sich selbst zum Gegenstande ° hat
ist er für sich, was er an sich ist.


Anm.
Die Endlichkeit besteht nach dieser Bestimmung darin,
daß, was etwas an sich oder seinem Begriffe nach ist,
eine von dem verschiedene Existenz oder Erscheinung ist,
was es für sich ist;
so ist z. B. das abstrakte Außereinander der Natur an sich der Raum,
für sich aber die Zeit.

Es ist hierüber das Gedoppelte zu bemerken:
erstens, daß, weil das Wahre nur die Idee ist,
wenn man einen Gegenstand oder Bestimmung,
nur wie er an sich oder im Begriffe ist, erfaßt,
man ihn noch nicht in seiner Wahrheit hat;
alsdann, daß etwas, wie es als Begriff oder an sich ist, gleichfalls existiert
und diese Existenz eine eigene Gestalt des Gegenstandes ist (wie vorhin der Raum);
die Trennung des Ansich- und Fürsichseins,
die im Endlichen vorhanden ist,
macht zugleich sein bloßes Dasein oder Erscheinung aus
- (wie unmittelbar ein Beispiel am natürlichen Willen ((60))
und dann [am] formellen Rechte usf. vorkommen wird).

Der Verstand bleibt bei dem bloßen Ansichsein stehen
und nennt so die Freiheit nach diesem Ansichsein ein Vermögen,
wie sie denn so in der Tat nur die Möglichkeit ist.

Aber er sieht diese Bestimmung als absolute und perennierende an
und nimmt ihre Beziehung auf das, was sie will, überhaupt auf ihre Realität,
nur für eine Anwendung auf einen gegebenen Stoff an,
die nicht zum Wesen der Freiheit selbst gehöre;
er hat es auf diese Weise nur mit dem Abstraktum,
nicht mit ihrer Idee und Wahrheit zu tun.


Zusatz.
Der Wille, der bloß dem Begriffe nach Wille ist, ist an sich frei,
aber auch zugleich unfrei,
denn wahrhaft frei wäre er erst als wahrhaft bestimmter Inhalt;
dann ist er für sich frei, hat die Freiheit zum Gegenstande, ist die Freiheit.

Was nur erst nach seinem Begriffe ist, was an sich bloß ist,
ist nur unmittelbar, nur natürlich.

Dies ist uns auch in der Vorstellung bekannt.

Das Kind ist an sich Mensch, hat erst an sich Vernunft,
ist erst Möglichkeit der Vernunft ((61)) und der Freiheit
und ist nur so dem Begriff nach frei.

Was nun so erst an sich ist, ist nicht in seiner Wirklichkeit.

Der Mensch, der an sich vernünftig ist,
muss sich durch die Produktion seiner selbst
durcharbeiten durch das Hinausgehen aus sich,
aber ebenso durch das Hineinbilden in sich, daß er es auch für sich werde.


§ 11
Der nur erst an sich freie Wille ist der unmittelbare oder natürliche Wille. >

Die Bestimmungen des Unterschieds,
welchen der sich selbst bestimmende Begriff im Willen setzt,
erscheinen im unmittelbaren Willen als ein unmittelbar vorhandener Inhalt
- es sind die Triebe, Begierden, Neigungen,
durch die sich der Wille von Natur bestimmt findet.

Dieser Inhalt nebst dessen entwickelten Bestimmungen
kommt zwar von der Vernünftigkeit des Willens her und ist so an sich vernünftig,
aber in solche Form der Unmittelbarkeit ausgelassen,
ist er noch nicht in Form der Vernünftigkeit.

Dieser Inhalt ist zwar für mich der meinige überhaupt;
diese Form und jener Inhalt sind aber noch verschieden,
- der Wille ist so in sich endlicher Wille.


Anm. §11
Die empirische Psychologie erzählt und beschreibt diese Triebe und Neigungen
und die sich darauf gründenden Bedürfnisse,
wie sie dieselben in der Erfahrung vorfindet oder vorzufinden vermeint,
und sucht auf die gewöhnliche Weise diesen gegebenen Stoff zu klassifizieren.

Was das Objektive dieser Triebe
und wie dasselbe in seiner Wahrheit
ohne die Form der Unvernünftigkeit, in der es Trieb ist,
und wie es zugleich in seiner Existenz gestaltet ist, davon unten. ((62))


Zusatz. § 11
Triebe, Begierden, Neigungen hat auch das Tier,
aber das Tier hat keinen Willen
und muss dem Triebe gehorchen, wenn nichts Äußeres es abhält.

Der Mensch steht aber als das ganz Unbestimmte über den Trieben
und kann sie als die seinigen bestimmen und setzen.

Der Trieb ist in der Natur,
aber daß ich ihn in dieses Ich setze, hängt von meinem Willen ab,
der sich also darauf, daß er in der Natur liegt, nicht berufen kann.


§ 12
Das System dieses Inhalts, wie es sich im Willen unmittelbar vorfindet,
ist nur als eine Menge und Mannigfaltigkeit von Trieben,
deren jeder der meinige überhaupt neben andern
und zugleich ein Allgemeines und Unbestimmtes ist,
das vielerlei Gegenstände und Weisen der Befriedigung hat.

[Darin] daß der Wille sich in dieser gedoppelten Unbestimmtheit
die Form der Einzelheit gibt (§ 7), ist er beschließend,
und nur als beschließender Wille überhaupt ist er wirklicher Wille.


Anm.
Statt etwas beschließen,
d. h. die Unbestimmtheit, in welcher der eine sowohl als der andere Inhalt
zunächst nur ein möglicher ist, aufheben,
hat unsere Sprache auch den Ausdruck: sich entschließen,
indem die Unbestimmtheit des Willens selbst,
als das Neutrale, aber unendlich befruchtete, der Urkeim alles Daseins,
in sich die Bestimmungen und Zwecke enthält und sie nur aus sich hervorbringt. ((63))


§13
Durch das Beschließen
setzt der Wille sich als Willen eines bestimmten Individuums
und als sich hinaus gegen Anderes unterscheidenden.

außer dieser Endlichkeit als Bewußtsein (§ 8) ist der unmittelbare Wille
aber um des Unterschieds seiner Form und seines Inhalts (§ 11) willen formell, >
es kommt ihm nur das abstrakte Beschließen als solches zu,
und der Inhalt ist noch nicht der Inhalt und das Werk seiner Freiheit.


Anm.
Der Intelligenz als denkend bleibt der Gegenstand und Inhalt Allgemeines,
sie selbst verhält sich als allgemeine Tätigkeit.

Im Willen hat das Allgemeine zugleich wesentlich
die Bedeutung des Meinigen, als Einzelheit,
und [dagegen] im unmittelbaren, d. i. formellen Willen
als der abstrakten, noch nicht mit seiner freien Allgemeinheit erfüllten Einzelheit.

Im Willen beginnt daher die eigene Endlichkeit der Intelligenz,
und nur dadurch, daß der Wille sich zum Denken wieder erhebt
und seinen Zwecken die immanente Allgemeinheit gibt,
hebt er den Unterschied der Form und des Inhalts auf
und macht sich zum objektiven, unendlichen Willen.

Diejenigen verstehen daher wenig von der Natur des Denkens und Wollens,
welche meinen, im Willen überhaupt sei der Mensch unendlich,
im Denken aber sei er oder gar die Vernunft beschränkt.

Insofern Denken und Wollen noch unterschieden sind,
ist vielmehr das Umgekehrte das Wahre,
und die denkende Vernunft ist als Wille dies, sich zur Endlichkeit zu entschließen.


Zusatz. §13
Ein Wille, der nichts beschließt, ist kein wirklicher Wille;
der Charakterlose kommt nie zum Beschließen.

Der Grund des Zauderns kann auch in einer Zärtlichkeit des Gemüts liegen,
welches weiß, daß im Bestimmen es sich mit der Endlichkeit einläßt,
sich eine Schranke setzt und die Unendlichkeit aufgibt:
es ((64)) will aber nicht der Totalität entsagen, die es beabsichtigt.

Ein solches Gemüt ist ein totes, wenn es auch ein schönes sein will.

Wer großes will sagt Goethe, muss sich beschränken können.

Durch das Beschließen allein tritt der Mensch in die Wirklichkeit,
wie sauer es ihm auch wird,
denn die Trägheit will aus dem Brüten in sich nicht herausgehen,
in der sie sich eine allgemeine Möglichkeit beibehält.

Aber Möglichkeit ist noch nicht Wirklichkeit.

Der Wille, der seiner sicher ist, verliert sich darum im Bestimmten noch nicht.


§ 14
Der endliche Wille, als nur nach der Seite der Form
sich in sich reflektierendes und bei sich selbst seiendes unendliches Ich (§ 5),
steht über dem Inhalt, den unterschiedenen Trieben,
sowie über den weiteren einzelnen Arten ihrer Verwirklichung und Befriedigung,
wie es zugleich, als nur formell unendliches,
an diesen Inhalt, als die Bestimmungen seiner Natur und seiner äußeren Wirklichkeit,
jedoch als unbestimmtes nicht an diesen oder jenen Inhalt, gebunden ist (§6,  11).

Derselbe ist insofern für die Reflexion des Ich in sich nur ein Möglicher,
als der meinige zu sein oder auch nicht,
und Ich die Möglichkeit, mich zu diesem oder einem andern zu bestimmen,
- unter diesen für dasselbe nach dieser Seite äußeren Bestimmungen zu wählen. >


§ 15
Die Freiheit des Willens ist nach dieser Bestimmung Willkür > ((65))
- in welcher dies beides enthalten ist,
die freie von allem abstrahierende Reflexion
und die Abhängigkeit
von dem innerlich oder äußerlich gegebenen Inhalte und Stoffe.

Weil dieser an sich als Zweck notwendige Inhalt
zugleich gegen jene Reflexion als möglicher bestimmt ist,
so ist die Willkür die Zufälligkeit, wie sie als Wille ist.


Anm.
Die gewöhnlichste Vorstellung, die man bei der Freiheit hat, ist die der Willkür
- die Mitte der Reflexion
zwischen dem Willen als bloß durch die natürlichen Triebe bestimmt
und dem an und für sich freien Willen.

Wenn man sagen hört, die Freiheit überhaupt sei dies,
daß man tun könne, was man wolle, so kann solche Vorstellung
nur für gänzlichen Mangel an Bildung des Gedankens genommen werden,
in welcher sich von dem,
was der an und für sich freie Wille, Recht, Sittlichkeit usf. ist,
noch keine Ahnung findet.

Die Reflexion, die formelle Allgemeinheit und Einheit des Selbstbewußtseins,
ist die abstrakte Gewißheit des Willens von seiner Freiheit,
aber sie ist noch nicht die Wahrheit derselben,
weil sie sich noch nicht selbst zum Inhalte und Zwecke hat,
die subjektive Seite also noch ein anderes ist als die gegenständliche;
der Inhalt dieser Selbstbestimmung
bleibt deswegen auch schlechthin nur ein Endliches.

Die Willkür ist, statt der Wille in seiner Wahrheit zu sein,
vielmehr der Wille als der Widerspruch.

- In dem zur Zeit der Wolffischen Metaphysik vornehmlich geführten Streit,
ob der Wille wirklich frei
oder ob das Wissen von seiner Freiheit nur eine Täuschung sei,
war es die Willkür, die man vor Augen gehabt.

Der Determinismus hat mit Recht der Gewißheit jener abstrakten Selbstbestimmung
den Inhalt entgegengehalten, der als ein vorgefundener
nicht in jener Gewißheit enthalten und daher ihr von außen kommt,
obgleich dies außen der Trieb, Vorstellung,
überhaupt das, auf welche Weise es sei, so erfüllte Bewußtsein ist,
daß der Inhalt
nicht das Eigene der selbst bestimmenden Tätigkeit als solcher ist.

Indem hiermit nur das formelle Element der freien Selbstbestimmung ((66))
in der Willkür immanent,
das andere Element aber ein ihr gegebenes ist,
so kann die Willkür allerdings, wenn sie die Freiheit sein soll,
eine Täuschung genannt werden.

Die Freiheit in aller Reflexionsphilosophie, wie in der Kantischen
und dann [in] der Friesischen vollendeten Verseichtigung der Kantischen,
ist nichts anderes als jene formale Selbsttätigkeit.


Zusatz. §15
Da ich die Möglichkeit habe, mich hier oder dort zu bestimmen,
das heißt, da ich wählen kann, so besitze ich Willkür,
was man gewöhnlich Freiheit nennt.

Die Wahl, die ich habe, liegt in der Allgemeinheit des Willens,
daß ich dieses oder jenes zu dem Meinigen machen kann.

Dies Meinige ist als besonderer Inhalt mir nicht angemessen,
ist also getrennt von mir und nur in der Möglichkeit, das Meinige zu sein,
so wie ich die Möglichkeit bin, mich mit ihm zusammenzuschließen.

Die Wahl liegt daher in der Unbestimmtheit des Ich
und in der Bestimmtheit eines Inhalts.

Der Wille ist also um dieses Inhalts willen nicht frei,
obgleich er die Seite der Unendlichkeit formell an sich hat;
ihm entspricht keiner dieser Inhalte:
in keinem hat er wahrhaft sich selbst.

In der Willkür ist das enthalten,
daß der Inhalt nicht durch die Natur meines Willens bestimmt ist,
der meinige zu sein, sondern durch Zufälligkeit;
ich bin also ebenso abhängig von diesem Inhalt,
und dies ist der Widerspruch, der in der Willkür liegt.

Der gewöhnliche Mensch glaubt, frei zu sein,
wenn ihm willkürlich zu handeln erlaubt ist,
aber gerade in der Willkür liegt, daß er nicht frei ist.

Wenn ich das Vernünftige will, so handle ich nicht als partikulares Individuum,
sondern nach den Begriffen der Sittlichkeit überhaupt:
in einer sittlichen Handlung mache ich nicht mich selbst,
sondern die Sache geltend.

Der Mensch aber, indem er etwas Verkehrtes tut,
läßt seine Partikularität am meisten hervortreten.

Das Vernünftige ist die Landstraße, wo jeder geht, wo niemand sich auszeichnet.

Wenn große Künstler ein Werk vollenden,
so kann man sagen: so muss es sein;
das heißt, des Künstlers Partikularität ist ganz verschwunden
und keine Manier erscheint darin.

Phidias hat keine ((67)) Manier; die Gestalt selbst lebt und tritt hervor.

Aber je schlechter der Künstler ist,
desto mehr sieht man ihn selbst, seine Partikularität und Willkür.

Bleibt man bei der Betrachtung in der Willkür stehen,
daß der Mensch dieses oder jenes wollen könne,
so ist dies allerdings seine Freiheit,
aber hält man die Ansicht fest, daß der Inhalt ein gegebener sei,
so wird der Mensch dadurch bestimmt
und ist eben nach dieser Seite hin nicht mehr frei.


§ 16
Das im Entschluß Gewählte (§ 14) kann der Wille ebenso wieder aufgeben (§ 5).

Mit dieser Möglichkeit aber, ebenso über jeden andern Inhalt,
den er an die Stelle setzt, und ins Unendliche fort hinauszugehen,
kommt er nicht über die Endlichkeit hinaus,
weil jeder solche Inhalt ein von der Form Verschiedenes,
hiermit ein Endliches, und das Entgegengesetzte der Bestimmtheit,
die Unbestimmtheit, Unentschlossenheit oder Abstraktion,
nur das andere gleichfalls einseitige Moment ist.


§17
Der Widerspruch, welcher die Willkür ist (§ 15),
hat als Dialektik der Triebe und Neigungen die Erscheinung,
daß sie sich gegenseitig stören,
die Befriedigung des einen
die Unterordnung oder Aufopferung der Befriedigung des anderen fordert usf.;
und indem der Trieb nur einfache Richtung seiner Bestimmtheit ist,
das Maß somit nicht in sich selbst hat,
so ist dies unterordnende oder aufopfernde Bestimmen
das zufällige Entscheiden der Willkür,
sie verfahre nun dabei mit berechnendem Verstande,
bei welchem Triebe mehr Befriedigung zu gewinnen sei,
oder nach welcher anderen beliebigen Rücksicht. ((68))


Zusatz.
Die Triebe und Neigungen sind zunächst Inhalt des Willens,
und nur die Reflexion steht über denselben;
aber diese Triebe werden selbst treibend, drängen einander,
stören sich und wollen alle befriedigt werden.

Wenn ich nun mit Hintansetzung aller anderen
mich bloß in einen derselben hineinlege,
so befinde ich mich in einer zerstörenden Beschränktheit,
denn ich habe meine Allgemeinheit eben dadurch aufgegeben,
welche ein System aller Triebe ist.

Ebensowenig ist aber mit einem bloßen Unterordnen der Triebe geholfen,
worauf der Verstand gewöhnlich kommt,
weil hier kein Maß dieser Anordnung zu geben ist
und die Forderung daher gewöhnlich
in die Langweiligkeit allgemeiner Redensarten ausläuft.


§ 18
In Ansehung der Beurteilung der Triebe hat die Dialektik die Erscheinung,
daß als immanent, somit positiv,
die Bestimmungen des unmittelbaren Willens gut sind;
der Mensch heißt so von Natur gut.

Insofern sie aber Naturbestimmungen,
also der Freiheit und dem Begriffe des Geistes überhaupt entgegen
und das Negative sind, sind sie auszurotten;
der Mensch heißt so von Natur böse.

Das Entscheidende für die eine oder die andere Behauptung
ist auf diesem Standpunkte gleichfalls die subjektive Willkür.


Zusatz.
Die christliche Lehre, daß der Mensch von Natur böse sei,
steht höher wie die andere, die ihn für gut hält;
ihrer philosophischen Auslegung zufolge ist sie also zu fassen.

Als Geist ist der Mensch ein freies Wesen,
das die Stellung hat, sich nicht durch Naturimpulse bestimmen zu lassen.

Der Mensch, als im unmittelbaren und ungebildeten Zustande,
ist daher in einer Lage, in der er nicht sein soll
und von der er sich befreien muß.

Die Lehre von der Erbsünde,
ohne welche das Christentum nicht die Religion der Freiheit wäre,
hat diese Bedeutung. ((69))


§ 19
In der Forderung der Reinigung der Triebe liegt die allgemeine Vorstellung,
daß sie von der Form ihrer unmittelbaren Naturbestimmtheit
und von dem Subjektiven und Zufälligen des Inhalts befreit
und auf ihr substantielles Wesen zurückgeführt werden.

Das Wahrhafte dieser unbestimmten Forderung ist,
daß die Triebe als das vernünftige System der Willensbestimmung seien;
sie so aus dem Begriffe zu fassen, ist der Inhalt der Wissenschaft des Rechts.


Anm.
Der Inhalt dieser Wissenschaft kann nach allen seinen einzelnen Momenten,
z. B. Recht, Eigentum, Moralität, Familie, Staat usf.,
in der Form vorgetragen werden,
daß der Mensch von Natur den Trieb zum Recht,
auch den Trieb zum Eigentum, zur Moralität,
auch den Trieb der Geschlechterliebe, den Trieb zur Geselligkeit usf. habe.

Will man statt dieser Form der empirischen Psychologie
vornehmer Weise eine philosophische Gestalt haben,
so ist diese nach dem, was, wie vorhin bemerkt worden,
in neuerer Zeit für Philosophie gegolten hat und noch gilt,
wohlfeil damit zu bekommen, daß man sagt,
der Mensch finde als Tatsache seines Bewußtseins in sich,
daß er das Recht, Eigentum, den Staat usf. wolle.

Weiterhin wird eine andere Form desselben Inhalts,
der hier in Gestalt von Trieben erscheint, nämlich die von Pflichten, eintreten.((70))


§ 20
Die auf die Triebe sich beziehende Reflexion
bringt, als sie vorstellend, berechnend, sie untereinander
und dann mit ihren Mitteln, Folgen usf.
und mit einem Ganzen der Befriedigung - der Glückseligkeit > - vergleichend,
die formelle Allgemeinheit an diesen Stoff
und reinigt denselben auf diese äußerliche Weise von seiner Roheit und Barbarei.

Dies Hervortreiben der Allgemeinheit des Denkens
ist der absolute Wert der Bildung (vgl. § 187).


Zusatz.
In der Glückseligkeit hat der Gedanke schon
eine Macht über die Naturgewalt der Triebe,
indem er nicht mit dem Augenblicklichen zufrieden ist,
sondern ein Ganzes von Glück erheischt.

Es hängt dieses insofern mit der Bildung zusammen,
als letztere es ebenfalls ist, welche ein Allgemeines geltend macht.

In dem Ideal von Glückseligkeit liegen aber zwei Momente:
erstens ein Allgemeines, das höher ist als alle Besonderheiten;
da nun aber der Inhalt dieses Allgemeinen
wiederum der nur allgemeine Genuß ist,
so tritt hier noch einmal das Einzelne und Besondere,
also ein Endliches auf, und es muss auf den Trieb zurückgegangen werden.

Indem der Inhalt der Glückseligkeit
in der Subjektivität und Empfindung eines jeden liegt,
ist dieser allgemeine Zweck seinerseits partikular
und in ihm also noch keine wahre Einheit des Inhalts und der Form vorhanden.


§ 21
Die Wahrheit aber dieser formellen, für sich unbestimmten
und ihre Bestimmtheit an jenem Stoffe vorfindenden Allgemeinheit
ist die sich selbst bestimmende Allgemeinheit, der ((71)) Wille, die Freiheit.

Indem er die Allgemeinheit, sich selbst,
als die unendliche Form zu seinem Inhalte, Gegenstande und Zweck hat,
ist er nicht nur der an sich, sondern ebenso der für sich freie Wille
- die wahrhafte Idee.


Anm.
Das Selbstbewußtsein des Willens, als Begierde, Trieb, ist sinnlich,
wie das Sinnliche überhaupt die Äußerlichkeit
und damit das Außersichsein des Selbstbewußtseins bezeichnet.

Der reflektierende Wille hat die zwei Elemente,
jenes Sinnliche und die denkende Allgemeinheit;
der an und für sich seiende Wille hat den Willen selbst als solchen,
hiermit sich in seiner reinen Allgemeinheit zu seinem Gegenstande
- der Allgemeinheit, welche eben dies ist, daß die Unmittelbarkeit der Natürlichkeit
und die Partikularität, mit welcher ebenso die Natürlichkeit behaftet,
als sie von der Reflexion hervorgebracht wird,
in ihr aufgehoben ist.

Dies Aufheben aber und Erheben ins Allgemeine
ist das, was die Tätigkeit des Denkens heißt.

Das Selbstbewußtsein, das seinen Gegenstand, Inhalt und Zweck
bis zu dieser Allgemeinheit reinigt und erhebt,
tut dies als das im Willen sich durchsetzende Denken.

Hier ist der Punkt, auf welchem es erhellt,
daß der Wille nur als denkende Intelligenz wahrhafter, freier Wille ist.

Der Sklave weiß nicht sein Wesen, seine Unendlichkeit, die Freiheit,
er weiß sich nicht als Wesen,
- und er weiß sich so nicht, das ist, er denkt sich nicht.

Dies Selbstbewußtsein, das durch das Denken sich als Wesen erfaßt
und damit eben sich von dem Zufälligen und Unwahren abtut,
macht das Prinzip des Rechts, der Moralität und aller Sittlichkeit aus.

Die, welche philosophisch vom Recht, Moralität, Sittlichkeit sprechen
und dabei das Denken ausschließen wollen
und an das Gefühl, Herz und Brust, an die Begeisterung verweisen,
sprechen damit die tiefste Verachtung aus,
in welche der Gedanke und die Wissenschaft gefallen ist,
indem so die Wissenschaft sogar selbst, über sich in Verzweiflung
und in die höchste Mattigkeit versunken,
die Barbarei und das Gedankenlose sich zum ((72)) Prinzip macht und,
so viel an ihre wäre, dem Menschen alle Wahrheit, Wert und Würde raubte.

zzz

Wahrheit in der Philosophie heißt das, daß der Begriff der Realität entspreche.

Ein Leib ist z. B. die Realität, die Seele der Begriff.

Seele und Leib sollen sich aber angemessen sein;
ein toter ((73)) Mensch ist daher noch eine Existenz,
aber keine wahrhafte mehr, ein begriffloses Dasein:
deswegen verfault der tote Körper.

So ist der wahrhafte Wille, daß das, was er will, sein Inhalt,
identisch mit ihm sei, daß also die Freiheit die Freiheit wolle.


§ 22
Der an und für sich seiende Wille ist wahrhaft unendlich,
weil sein Gegenstand er selbst,
hiermit derselbe für ihn nicht ein Anderes noch Schranke,
sondern er darin vielmehr nur in sich zurückgekehrt ist.

Er ist ferner nicht bloße Möglichkeit, Anlage, Vermögen (potentia),
sondern das Wirklich-Unendliche (infinitum actu),
weil das Dasein des Begriffs, oder seine gegenständliche Äußerlichkeit,
das Innerliche selbst ist.


Anm.
Wenn man daher nur vom freien Willen als solchem spricht,
ohne die Bestimmung, daß er der an und für sich freie Wille ist,
so spricht man nur von der Anlage der Freiheit
oder von dem natürlichen und endlichen Willen (§ 11)
und eben damit, der Worte und der Meinung unerachtet,
nicht vom freien Willen.

- Indem der Verstand das Unendliche nur als Negatives
und damit als ein Jenseits faßt,
meint er dem Unendlichen um so mehr Ehre anzutun,
je mehr er es von sich weg in die Weite hinausschiebt
und als ein Fremdes von sich entfernt.

Im freien Willen hat das wahrhaft Unendliche Wirklichkeit und Gegenwart,
- er selbst ist diese in sich gegenwärtige Idee.


Zusatz. §22
Man hat mit Recht die Unendlichkeit unter dem Bilde eines Kreises vorgestellt,
denn die gerade Linie geht hinaus und immer weiter hinaus
und bezeichnet die bloß negative, schlechte Unendlichkeit,
die nicht wie die wahre eine Rückkehr in sich selbst hat.

Der freie Wille ist wahrhaft unendlich,
denn er ist nicht bloß eine Möglichkeit und Anlage,
sondern sein äußerliches Dasein ist seine Innerlichkeit, er selbst.


§ 23
Nur in dieser Freiheit ist der Wille schlechthin bei sich,
weil ((74)) er sich auf nichts als auf sich selbst bezieht,
so wie damit alles Verhältnis der Abhängigkeit von etwas anderem hinwegfällt.

- Er ist wahr oder vielmehr die Wahrheit selbst,
weil sein Bestimmen darin besteht, in seinem Dasein,
d. i. als sich Gegenüberstehendes zu sein, was sein Begriff ist,
oder der reine Begriff die Anschauung seiner selbst
zu seinem Zwecke und Realität hat.


§ 24
Er ist allgemein, weil in ihm
alle Beschränkung und besondere Einzelheit aufgehoben ist,
als welche allein in der Verschiedenheit
des Begriffes und seines Gegenstandes oder Inhalts
oder, nach anderer Form, in der Verschiedenheit
seines subjektiven Fürsichseins - und seines Ansichseins,
seiner ausschließenden und beschließenden Einzelheit
- und seiner Allgemeinheit selbst liegt.


Anm.
Die verschiedenen Bestimmungen der Allgemeinheit
ergeben sich in der Logik (s. Enzyklop. der philos. Wissenschaften § 118-126[169-78]).

Bei diesem Ausdruck fällt dem Vorstellen zunächst
die abstrakte und äußerliche ein;
aber bei der an und für sich seienden Allgemeinheit,
wie sie sich hier bestimmt hat,
ist weder an die Allgemeinheit der Reflexion,
die Gemeinschaftlichkeit oder die Allheit zu denken
noch an die abstrakte Allgemeinheit,
welche außer dem Einzelnen auf der anderen Seite steht, die abstrakte Verstandesidentität (§ 6 Anm.).

Es ist die in sich konkrete und so für sich seiende Allgemeinheit,
welche die Substanz, die immanente Gattung
oder immanente Idee des Selbstbewußtseins ist;
- der Begriff des freien Willens als das über seinen Gegenstand übergreifende,
durch seine Bestimmung hindurchgehende Allgemeine,
das in ihr mit sich identisch ist.

- Das an und für sich seiende Allgemeine ist überhaupt das,
was man das Vernünftige nennt
und was nur auf diese spekulative Weise gefaßt werden kann. ((75))
 

§ 25
Das Subjektive heißt in Ansehung des Willens überhaupt
die Seite seines Selbstbewußtseins, der Einzelheit (§ 7)
im Unterschiede von seinem an sich seienden Begriffe;
daher heißt seine Subjektivität
a) die reine Form, die absolute Einheit des Selbstbewußtseins mit sich,
in der es als Ich = Ich schlechthin innerlich
und abstraktes Beruhen auf sich ist
- die reine Gewißheit seiner selbst, unterschieden von der Wahrheit;
ß) die Besonderheit des Willens
als die Willkür und der zufällige Inhalt beliebiger Zwecke;
y) überhaupt die einseitige Form (§ 8), insofern
das Gewollte, wie es seinem Inhalte nach sei,
nur erst ein dem Selbstbewußtsein angehöriger Inhalt
und unausgeführter Zweck ist.


§ 26
Der Wille
a) insofern er sich selbst zu seiner Bestimmung hat
und so seinem Begriffe gemäß und wahrhaftig ist,
ist der schlechthin objektive Wille;
ß) der objektive Wille aber, als ohne die unendliche Form des Selbstbewußtseins,
ist der in sein Objekt oder Zustand,
wie er seinem Inhalte nach beschaffen ((76)) sei, versenkte Wille
- der kindliche sittliche wie der sklavische, abergläubische usf.

y) Die Objektivität ist endlich
die einseitige Form im Gegensatze der subjektiven Willensbestimmung,
hiermit die Unmittelbarkeit des Daseins als äußerliche Existenz;
der Wille wird sich in diesem Sinne
erst durch die Ausführung seiner Zwecke objektiv.


Anm. §26
Diese logischen Bestimmungen von Subjektivität und Objektivität
sind hier in der Absicht besonders aufgeführt worden,
um in Ansehung ihrer, da sie in der Folge oft gebraucht werden,
ausdrücklich zu bemerken, daß es ihnen wie anderen Unterschieden
und entgegengesetzten Reflexionsbestimmungen geht,
um ihrer Endlichkeit und daher ihrer dialektischen Natur willen
in ihr Entgegengesetztes überzugehen.

Anderen solchen Bestimmungen des Gegensatzes
bleibt jedoch ihre Bedeutung fest für Vorstellung und Verstand,
indem ihre Identität noch als ein Innerliches ist.

Im Willen hingegen führen solche Gegensätze,
welche abstrakte und zugleich Bestimmungen von ihm,
der nur als das Konkrete gewußt werden kann, sein sollen,
von selbst auf diese ihre Identität und auf die Verwechslung ihrer Bedeutungen
- eine Verwechslung, die dem Verstande bewußtlos nur begegnet.

- So ist der Wille, als die in sich seiende Freiheit, die Subjektivität selbst;
diese ist damit sein Begriff und so seine Objektivität;
Endlichkeit aber ist seine Subjektivität im Gegensatze gegen die Objektivität;
aber eben in diesem Gegensatze ist der Wille nicht bei sich,
mit dem Objekte verwickelt, und seine Endlichkeit besteht ebensowohl darin,
nicht subjektiv zu sein usf.

- Was daher im folgenden das Subjektive oder Objektive des Willens
für eine Bedeutung haben soll,
hat jedesmal aus dem Zusammenhang zu erhellen,
der ihre Stellung in Beziehung auf die Totalität enthält. ((77))


Zusatz. §26
Gewöhnlich glaubt man,
das Subjektive und Objektive stehe sich fest einander gegenüber.

Dies ist aber nicht der Fall, da es vielmehr ineinander übergeht,
denn es sind keine abstrakten Bestimmungen, wie positiv und negativ,
sondern sie haben schon eine konkretere Bedeutung.

Betrachten wir zunächst den Ausdruck subjektiv,
so kann dies heißen ein Zweck, der nur der eines bestimmten Subjekts ist.

In diesem Sinne ist ein sehr schlechtes Kunstwerk, das die Sache nicht erreicht,
ein bloß subjektives.

Es kann aber auch ferner dieser Ausdruck auf den Inhalt des Willens gehen
und ist dann ungefähr mit Willkürlichem gleichbedeutend:
der subjektive Inhalt ist der, welcher bloß dem Subjekte angehört.

So sind z. B. schlechte Handlungen bloß subjektive.

Dann kann aber ebenso
jenes reine leere Ich subjektiv genannt werden,
das nur sich als Gegenstand hat
und von allem weiteren Inhalt zu abstrahieren die Kraft besitzt.

Die Subjektivität hat also teils eine ganz partikulare,
teils eine hochberechtigte Bedeutung,
indem alles, was ich anerkennen soll,
auch die Aufgabe hat, ein Meiniges zu werden und in mir Geltung zu erlangen.

Dies ist die unendliche Habsucht der Subjektivität, alles
in dieser einfachen Quelle des reinen Ich zusammenzufassen und zu verzehren.

Nicht minder kann das Objektive verschieden gefaßt werden.

Wir können darunter alles verstehen, was wir uns gegenständlich machen,
seien es wirkliche Existenzen oder bloße Gedanken, die wir uns gegenüberstellen;
ebenso begreift man aber auch darunter die Unmittelbarkeit des Daseins,
in dem der Zweck sich realisieren soll:
wenn der Zweck auch selbst ganz partikular und subjektiv ist,
so nennen wir ihn doch objektiv, wenn er erscheint.

Aber der objektive Wille ist auch derjenige, in welchem Wahrheit ist.

So ist Gottes Wille, der sittliche Wille ein objektiver.

Endlich kann man auch den Willen objektiv heißen,
der ganz in sein Objekt versenkt ist,
den kindlichen, der im Zutrauen, ohne subjektive Freiheit steht,
und den sklavischen, der sich noch nicht als frei weiß
und deswegen ein willenloser Wille ist.

Objektiv ist in diesem Sinne ein jeder Wille,
der durch fremde Autorität geleitet handelt
und noch nicht die unendliche Rückkehr in sich vollendet hat. ((78))


§ 27
Die absolute Bestimmung
oder, wenn man will, der absolute Trieb des freien Geistes (§21 ),
daß ihm seine Freiheit Gegenstand sei
- objektiv sowohl in dem Sinne,
daß sie als das vernünftige System seiner selbst,
als in dem Sinne, daß dies unmittelbare Wirklichkeit sei (§ 26) -,
um für sich, als Idee zu sein, was der Wille an sich ist:
der abstrakte Begriff der Idee des Willens
ist überhaupt der freie Wille, der den freien Willen will.


§ 28
Die Tätigkeit des Willens,
den Widerspruch der Subjektivität und Objektivität aufzuheben
und seine Zwecke aus jener Bestimmung in diese zu übersetzen
und in der Objektivität zugleich bei sich zu bleiben,
ist außer der formalen Weise des Bewußtseins (§ 8),
worin die Objektivität nur als unmittelbare Wirklichkeit ist,
die wesentliche Entwicklung des substantiellen Inhalts der Idee (§21),
eine Entwicklung, in welcher der Begriff
die zunächst selbst abstrakte Idee zur Totalität ihres Systems bestimmt,
die als das Substantielle, unabhängig von dem Gegensatze
eines bloß subjektiven Zwecks und seiner Realisierung,
dasselbe in diesen beiden Formen ist. ((79))


§ 29
Dies, daß ein Dasein überhaupt Dasein des freien Willens ist, ist das Recht.

- Es ist somit überhaupt die Freiheit, als Idee.


Anm.
Die Kantische (Kants Rechtslehre Einl.)
und auch allgemeiner angenommene Bestimmung,
worin >die Beschränkung meiner Freiheit oder Willkür,
daß sie mit jedermanns Willkür
nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen könne<,
das Hauptmoment ist, enthält
teils nur eine negative Bestimmung, die der Beschränkung,
teils läuft das Positive, das allgemeine oder sogenannte Vernunftgesetz,
die Übereinstimmung der Willkür des einen mit der Willkür des anderen,
auf die bekannte formelle Identität und den Satz des Widerspruchs hinaus.

Die angeführte Definition des Rechts
enthält die seit Rousseau vornehmlich verbreitete Ansicht,
nach welcher der Wille nicht als an und für sich seiender, vernünftiger,
der Geist nicht als wahrer Geist,
sondern als besonderes Individuum ((80)) als Wille des Einzelnen
in seiner eigentümlichen Willkür,
die substantielle Grundlage und das Erste sein soll.

Nach diesem einmal angenommenen Prinzip kann das Vernünftige
freilich nur als beschränkend für diese Freiheit
sowie auch nicht als immanent Vernünftiges,
sondern nur als ein äußeres, formelles Allgemeines herauskommen.

Jene Ansicht ist ebenso ohne allen spekulativen Gedanken
und von dem philosophischen Begriffe verworfen, als sie
in den Köpfen und in der Wirklichkeit Erscheinungen hervorgebracht hat,
deren Fürchterlichkeit nur an der Seichtigkeit der Gedanken,
auf die sie sich gründeten, eine Parallele hat. ((81))


§ 30
Das Recht ist etwas Heiliges überhaupt, allein [schon] weil es
das Dasein des absoluten Begriffes, der selbstbewußten Freiheit ist.

- Der Formalismus des Rechts aber (und weiterhin der Pflicht)
entsteht aus dem Unterschiede der Entwicklung des Freiheitsbegriffs.

Gegen formelleres, d. i. abstrakteres und darum beschränkteres Recht
hat die Sphäre und Stufe des Geistes,
in welcher er die weiteren in seiner Idee enthaltenen Momente
zur Bestimmung und Wirklichkeit in sich gebracht hat,
als die konkretere, in sich reichere und wahrhafter allgemeine,
eben damit auch ein höheres Recht.


Anm.
Jede Stufe der Entwicklung der Idee der Freiheit hat ihr eigentümliches Recht,
weil sie das Dasein der Freiheit in einer ihrer eigenen Bestimmungen ist.

Wenn vom Gegensatze der Moralität, der Sittlichkeit gegen das Recht
gesprochen wird, so ist unter dem Rechte
nur das erste formelle der abstrakten Persönlichkeit verstanden.

Die Moralität, die Sittlichkeit, das Staatsinteresse
ist jedes ein eigentümliches Recht,
weil jede dieser Gestalten Bestimmung und Dasein der Freiheit ist.

In Kollision können sie nur kommen,
insofern sie auf gleicher Linie stehen, Rechte zu sein;
wäre der moralische Standpunkt des Geistes nicht auch ein Recht,
die Freiheit in einer ihrer Formen,
so könnte sie gar nicht in Kollision mit dem Rechte der Persönlichkeit
oder einem anderen kommen,
weil ein solches den Freiheitsbegriff, die höchste Bestimmung des Geistes,
in sich enthält, gegen welchen anderes ein substanzloses ist.

Aber die Kollision enthält zugleich dies andere Moment, daß sie beschränkt
und damit auch eins dem anderen ((83)) untergeordnet ist;
nur das Recht des Weltgeistes ist das uneingeschränkt absolute.


§ 31
Die Methode, wie in der Wissenschaft der Begriff sich aus sich selbst entwickelt
und nur ein immanentes Fortschreiten
und Hervorbringen seiner Bestimmungen ist,
der Fortgang nicht durch die Versicherung,
daß es verschiedene Verhältnisse gebe,
und dann durch das Anwenden des Allgemeinen
auf solchen von sonst her aufgenommenen Stoff geschieht,
ist hier gleichfalls aus der Logik vorausgesetzt. >


Anm.
Das bewegende Prinzip des Begriffs,
als die Besonderungen des Allgemeinen nicht nur auflösend,
sondern auch hervorbringend, heiße ich die Dialektik
- Dialektik also nicht in dem Sinne, daß sie einen dem Gefühl,
dem unmittelbaren Bewußtsein überhaupt gegebenen Gegenstand,
Satz usf. auflöst, verwirrt, herüber- und hinüberführt
und es nur mit Herleiten seines Gegenteils zu tun hat
- eine negative Weise, wie sie häufig auch bei Platon erscheint.

Sie kann so das Gegenteil einer Vorstellung,
oder entschieden wie der alte Skeptizismus den Widerspruch derselben,
oder auch matter Weise eine Annäherung zur Wahrheit,
eine moderne Halbheit, als ihr letztes Resultat ansehen.

Die höhere Dialektik des Begriffes ist,
die Bestimmung nicht bloß als Schranke und Gegenteil,
sondern aus ihr den positiven Inhalt und Resultat hervorzubringen und aufzufassen,
als wodurch sie allein Entwicklung und immanentes Fortschreiten ist.

Diese Dialektik ist dann nicht äußeres Tun eines subjektiven Denkens,
sondern die eigene Seele des Inhalts,
die organisch ihre Zweige und Früchte hervortreibt.

Dieser Entwicklung der Idee als eigener Tätigkeit ihrer Vernunft
sieht das Denken als subjektives, ((84)) ohne seinerseits eine Zutat hinzuzufügen,
nur zu.

Etwas vernünftig betrachten heißt,
nicht an den Gegenstand von außen her eine Vernunft hinzubringen
und ihn dadurch bearbeiten,
sondern der Gegenstand ist für sich selbst vernünftig;
hier ist es der Geist in seiner Freiheit,
die höchste Spitze der selbstbewußten Vernunft,
die sich Wirklichkeit gibt und als existierende Welt erzeugt;
die Wissenschaft hat nur das Geschäft,
diese eigene Arbeit der Vernunft der Sache zum Bewußtsein zu bringen.


§ 32
Die Bestimmungen in der Entwicklung des Begriffs
sind einerseits selbst Begriffe,
andererseits, weil der Begriff wesentlich als Idee ist,
sind sie in der Form des Daseins,
und die Reihe der sich ergebenden Begriffe ist damit zugleich
eine Reihe von Gestaltungen; so sind sie in der Wissenschaft zu betrachten.


Anm.
In spekulativerem Sinn ist die Weise des Daseins eines Begriffes
und seine Bestimmtheit eins und dasselbe.

Es ist aber zu bemerken, daß die Momente,
deren Resultat eine weiter bestimmte Form ist, ihm als Begriffsbestimmungen
in der wissenschaftlichen Entwicklung der Idee vorangehen,
aber nicht in der zeitlichen Entwicklung als Gestaltungen ihm vorausgehen.

So hat die Idee, wie sie als Familie bestimmt ist,
die Begriffsbestimmungen zur Voraussetzung,
als deren Resultat sie im folgenden dargestellt werden wird.

Aber daß diese inneren Voraussetzungen auch für sich schon als Gestaltungen,
als Eigentumsrecht, Vertrag, Moralität usf. vorhanden seien,
dies ist die andere Seite der Entwicklung, die nur in höher vollendeter Bildung
es zu diesem eigentümlich gestalteten Dasein ihrer Momente gebracht hat. ((85))

Zusatz. §32
Die Idee muss sich immer weiter in sich bestimmen,
da sie im Anfang nur erst abstrakter Begriff ist.

Dieser anfängliche abstrakte Begriff wird aber nie aufgegeben,
sondern er wird nur immer in sich reicher,
und die letzte Bestimmung ist somit die reichste.

Die früher nur an sich seienden Bestimmungen
kommen dadurch zu ihrer freien Selbständigkeit,
so aber, daß der Begriff die Seele bleibt, die alles zusammenhält
und die nur durch ein immanentes Verfahren
zu ihren eigenen Unterschieden gelangt.

Man kann daher nicht sagen, daß der Begriff zu etwas Neuem komme,
sondern die letzte Bestimmung fällt in der Einheit mit der ersten wieder zusammen.

Wenn auch so der Begriff in seinem Dasein auseinandergegangen scheint,
so ist dieses eben nur ein Schein, der sich im Fortgange als solcher aufweist,
indem alle Einzelheiten in den Begriff des Allgemeinen
schließlich wieder zurückkehren.

In den empirischen Wissenschaften analysiert man gewöhnlich das,
was in der Vorstellung gefunden wird,
und wenn man nun
das Einzelne auf das Gemeinschaftliche zurückgebracht hat,
so nennt man dieses alsdann den Begriff.

So verfahren wir nicht,
denn wir wollen nur zusehen, wie sich der Begriff selbst bestimmt,
und tun uns die Gewalt an, nichts von unserem Meinen und Denken hinzuzugeben.

Was wir auf diese Weise erhalten, ist aber eine Reihe von Gedanken
und eine andere Reihe daseiender Gestalten,
bei denen es sich fügen kann, daß die Ordnung der Zeit
in der wirklichen Erscheinung zum Teil anders ist als die Ordnung des Begriffes.

So kann man z. B. nicht sagen,
daß das Eigentum vor der Familie dagewesen sei,
und trotzdem wird es vor derselben abgehandelt.

Man könnte hier also die Frage aufwerfen, warum wir nicht mit dem Höchsten,
das heißt mit dem konkret ((86)) Wahren beginnen.

Die Antwort wird sein, weil wir eben
das Wahre in Form eines Resultates sehen wollen
und dazu wesentlich gehört, zuerst den abstrakten Begriff selbst zu begreifen.

Das, was wirklich ist, die Gestalt des Begriffes,
ist uns somit erst das Folgende und Weitere,
wenn es auch in der Wirklichkeit selbst das erste wäre.

Unser Fortgang ist der, daß die abstrakten Formen
sich nicht als für sich bestehend, sondern als unwahre aufweisen.


Einteilung



§ 33
Nach dem Stufengange der Entwicklung
der Idee des an und für sich freien Willens ist der Wille
A. unmittelbar;
sein Begriff daher abstrakt, die Persönlichkeit,
und sein Dasein eine unmittelbare äußerliche Sache;
- die Sphäre des abstrakten oder formellen Rechts;
B. der Wille aus dem äußeren Dasein in sich reflektiert,
als subjektive Einzelheit bestimmt gegen das Allgemeine, - dasselbe,
teils als Inneres, das Gute,
teils als Äußeres, eine vorhandene Welt,
und diese beiden Seiten der Idee als nur durch einander vermittelt;
die Idee in ihrer Entzweiung oder besonderen Existenz,
das Recht des subjektiven Willens im Verhältnis zum Recht der Welt
und zum Recht der, aber nur an sich seienden, Idee;
- die Sphäre der Moralität;
C. die Einheit und Wahrheit dieser beiden abstrakten Momente,
- die gedachte Idee des Guten realisiert in dem in sich reflektierten Willen
und in äußerlicher Welt °[d.i. andere Subjekte];
- so daß die Freiheit als die Substanz
ebensosehr als Wirklichkeit und Notwendigkeit existiert
wie als subjektiver Wille;
- die Idee in ihrer an und für sich allgemeinen Existenz; die Sittlichkeit.

Die sittliche Substanz aber ist gleichfalls
a) natürlicher Geist; - die Familie,
b) in ihrer Entzweiung und Erscheinung; - die bürgerliche Gesellschaft, ((87))
c) der Staat,
als die in der freien Selbständigkeit des besonderen Willens
ebenso allgemeine und objektive Freiheit;
- welcher wirkliche und organische Geist
a) eines Volks sich
ß) durch das Verhältnis der besonderen Volksgeister  hindurch
y) in der Weltgeschichte
zum allgemeinen Weltgeiste wirklich wird und offenbart,
dessen Recht das höchste ist.

Anm. § 33
Daß eine Sache oder Inhalt, der erst seinem Begriffe nach,
oder wie er an sich ist, gesetzt ist,
die Gestalt der Unmittelbarkeit oder des Seins hat,
ist aus der spekulativen Logik vorausgesetzt;
ein anderes ist der Begriff, der in der Form des Begriffs für sich ist;
dieser ist nicht mehr ein Unmittelbares.

- Gleicherweise ist das die Einteilung bestimmende Prinzip vorausgesetzt.

Die Einteilung kann auch
als eine historische Vorausangabe der Teile angesehen werden,
denn die verschiedenen Stufen müssen als Entwicklungsmomente der Idee
sich aus der Natur des Inhalts selbst hervorbringen.

Eine philosophische Einteilung ist überhaupt nicht eine äußerliche,
nach irgendeinem oder mehreren aufgenommenen Einteilungsgründen gemachte
äußere Klassifizierung eines vorhandenen Stoffes,
sondern das immanente Unterscheiden des Begriffes selbst.

- Moralität und Sittlichkeit, die gewöhnlich etwa als gleichbedeutend gelten,
sind hier in wesentlich verschiedenem Sinne genommen.

Inzwischen scheint auch die Vorstellung sie zu unterscheiden;
der Kantische Sprachgebrauch bedient sich
vorzugsweise des Ausdrucks Moralität,
wie denn die praktischen Prinzipien dieser Philosophie
sich durchaus auf diesen Begriff beschränken,
den Standpunkt der Sittlichkeit sogar unmöglich machen,
ja selbst sie ausdrücklich zernichten und empören.

Wenn aber Moralität und Sittlichkeit
ihrer Etymologie nach auch gleichbedeutend wären,
so hinderte dies nicht, diese einmal verschiedenen Worte
für verschiedene Begriffe zu benutzen. ((88))


Zusatz. §33
Wenn wir hier vom Rechte sprechen, so meinen wir nicht
bloß das bürgerliche Recht, das man gewöhnlich darunter versteht, ((90))
sondern Moralität, Sittlichkeit und Weltgeschichte, die ebenfalls hierher gehören,
weil der Begriff die Gedanken der Wahrheit nach zusammenbringt.

Der freie Wille muss sich zunächst, um nicht abstrakt zu bleiben,
ein Dasein geben, und das erste sinnliche Material dieses Daseins
sind die Sachen, das heißt die äußeren Dinge.

Diese erste Weise der Freiheit ist die, welche wir als Eigentum kennen sollen,
die Sphäre des formellen und abstrakten Rechts,
wozu nicht minder das Eigentum in seiner vermittelten Gestalt als Vertrag
und das Recht in seiner Verletzung als Verbrechen und Strafe gehören.

Die Freiheit, die wir hier haben, ist das, was wir Person nennen,
das heißt das Subjekt, das frei und zwar für sich frei ist
und sich in den Sachen ein Dasein gibt.

Diese bloße Unmittelbarkeit des Daseins aber ist der Freiheit nicht angemessen,
und die Negation dieser Bestimmung ist die Sphäre der Moralität.

Ich bin nicht mehr bloß frei in dieser unmittelbaren Sache,
sondern ich bin es auch in der aufgehobenen Unmittelbarkeit,
das heißt ich bin es in mir selbst, im Subjektiven.

In dieser Sphäre ist es, wo es auf meine Einsicht und Absicht
und auf meinen Zweck ankommt,
indem die Äußerlichkeit als gleichgültig gesetzt wird.

Das Gute, das hier der allgemeine Zweck ist,
soll aber nicht bloß in meinem Inneren bleiben, sondern es soll sich realisieren.

Der subjektive Wille nämlich fordert, daß sein Inneres, das heißt sein Zweck,
äußeres Dasein erhalte,
daß also das Gute in der äußerlichen Existenz solle vollbracht werden.

Die Moralität, wie das frühere Moment des formellen Rechts,
sind beide Abstraktionen, deren Wahrheit erst die Sittlichkeit ist.

Die Sittlichkeit ist so die Einheit des Willens in seinem Begriffe
und des Willens des Einzelnen, das heißt des Subjekts.

Ihr erstes Dasein ist wiederum ein Natürliches,
in Form der Liebe und Empfindung: die Familie;
das Individuum hat hier seine spröde Persönlichkeit aufgehoben
und befindet sich mit seinem Bewußtsein in einem Ganzen.

Aber auf der folgenden Stufe ist der Verlust der eigentlichen Sittlichkeit
und der substantiellen Einheit zu sehen: die Familie zerfällt,
und die Glieder verhalten sich als selbständige zueinander,
indem nur das Band des gegenseitigen Bedürfnisses sie umschlingt.

Diese Stufe der bürgerlichen Gesellschaft hat man häufig für den Staat angesehen.

Aber der Staat ist erst das Dritte, die Sittlichkeit
und der Geist, in welchem die ungeheure Vereinigung der Selbständigkeit
der Individualität und der allgemeinen Substantialität stattfindet.

Das Recht des Staates ist daher höher als andere Stufen:
es ist die Freiheit in ihrer konkretesten Gestaltung,
welche nur noch unter die höchste absolute Wahrheit des Weltgeistes fällt. ((91))