Wesen - Glossar
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Zusammenfassende Übersicht über Grundkategorien und Grundbegriffe der Wesenslogik

Thema der Wesenslogik ist die logische Analyse von Reflexionsbestimmungen, genauer: der Kategorien oder Ausdrucksformen, die wir gebrauchen, um über einen schon vorgelegten Inhalt nachzudenken, etwas an ihm emphatisch hervorzuheben, dieses gegen andere, alternative Verständnisse, besonderes gegen Missverständnisse zu stellen usf. Titelgebende Standardbeispiele sind Satzformen der Art "Dieser Sachverhalt ist wirklich, notwendigerweise, möglicherweise so ... und nicht so ... zu verstehen", "Dieser Stoff ist die Materie, welche, so ... geformt, das Ding ausmacht." Hierher gehört auch die Rede von Gründen, eidetisch-theoretischen und kausalen Sachen für reale Existenzen oder Phänomene.

Wesen und Reflexion:

Wesen ist Titel über die Gesamtheit von Aussagen der Art "das, was bisher so ... bekannt war, ist eigentlich so... zu verstehen." Diese Aussagen sind immer als Antworten auf ein reflektierendes Nachdenken zu verstehen. Dieses wiederum ist (wenn es Sinn macht) motiviert durch ein aufgetretenes und zu klärendes Verständnisproblem, das sich auf Bedeutungen beziehen kann, aber auch auf die Frage nach der Reichweite und Sicherheit einer so ... gegeben prima-facie-Gewißheit, eines so ... artikulierten Wissens.

Identität:

Das Wesen in seiner Identität ist generisch, abstrakt, und steht dem erklärten Phänomen oder unmittelbaren Verständnis gegenüber. Es ist eine Struktur, konkret: eine gesetzte Analogie (Gleichheit, Isomorphie) zwischen dem zu erklärenden Phänomen und anderen Phänomenen, zu denen besonders auch die sprachlichen oder mathematischen (Zeichen)Systeme zählen, welche die Struktur für sich als Klasse isomorpher Gebilde darstellen oder beschreiben. Phänomene sind in unserem Gebrauch des Wortes immer schon geordnete ('vorstrukturierte') Wahrnehmungen, Anschauungen, oder innerlich reproduzierten Nachbilder: Vorstellungen.

Unterschied:

Das Wesen gibt es nur im Unterschied zu dem durch es dargestellten oder erklärten Phänomen, als Klasse zueinander analog gesetzter, aber verschiedener Phänomene. So lässt sich z. B. in der analytischen Geometrie das Wesen oder Wesentliche der formentheoretischen Geometrie darstellen. Innerhalb der Struktur gibt es Unterschiede und Beziehungen, die konstituiert sind durch definitorische Setzungen von Gleichungen, Ungleichungen und Relationen zwischen Elementen der Gebilde, welche die Struktur darstellen. Man denke als Beispiel an die Punkte, Linien und Flächen einer Landkarte.

Grund:

Gründe sind primär Antworten auf Fragen nach bestimmten Zusammenhängen, etwa deduktiven Beziehungen, innerhalb einer theoretischen Darstellung. Wenn man sagt, Y sei der (eigentliche) Grund für ein Phänomen x, so ist Y ein gesetztes Wesen oder eine Struktur, in dem es einen Strukturteil X gibt, der dem Phänomen als sein Wesen zugeordnet werden soll oder wird. Der Grund Y von x ist also ein umfassendes Wesen, eine Gesamtstruktur ('Totalität'), aus welcher sich X, das generische Wesen von x, als Teil (oder auch deduktiv) ergibt. Gründe in diesem Sinn sind zunächst irgendwelche Einbettungen eines Phänomens in einen generischen Wesenszusammenhang. Daher gibt es für alles einen Grund, ja, viele 'gute' Gründe. Indem Hegel das Wort Grund so zu einem sehr allgemeinen Formwort macht, depotenziert er den berüchtigten metaphysischen Satz vom zureichenden Grund, macht ihn gewissermaßen zu einem Papiertiger, womit er zweifellos Recht hat,

Existenz:

Das Wesen als abstrakte Struktur ist Grund der Existenz. Das heißt: Ein X im Bereich abstrakter Bedeutungen oder einer Theorie existiert, wenn es in einem speziell ausgegrenzten Bereich B des Daseins ein Phänomen x gibt 'von der Form X', wenn es also ein x aus B gibt, das mehr oder minder unmittelbar als Repräsentant von X betrachtet werden kann

Das Ding:

In der Rede über Dinge verbinden wir Grund und phänomenale Existenz auf ganz bestimmte Weise, so nämlich, dass wir alle einzelnen Phänomene als Eigenschaften ansehen, die das Ding hat, und damit das Ding zum abstrakten Träger seiner wahrnehmbaren Eigenschaften erklären. In Wirklichkeit aber ist der Dingbegriff untrennbar von gewissen essentiellen phänomenalen Eigenschaften, welche die Identitätsbedingungen des konkreten Dinges definieren, die dann faktisch eine Zeit lang erfüllt sind.

Materie und Form:

Zu den dingkonstitutiven Eigenschaften gehören nach Kants Analyse - sowohl der alltäglichen Rede als auch der Physik die haptisch kontrollierbare Kontinuität seiner materialen Teile in der raumzeitlichen Ordnung der Körperdinge. "Materie" ist daher Name der 'daseienden' (wahrnehmbaren) Dingheit, des Bestehens des Dinges. Das Ding selbst besteht dann aber aus Materie und Form: Wenn seine Gestalt zerstört ist, ist es im allgemeinen als dieses oder jenes Ding zerstört: Es bleiben dann bestenfalls materielle oder stoffliche Teile des Dings zurück, die vielleicht dann auch andere Dinge formen. Dies steht im Widerspruch zur Vorstellung, das Ding 'habe' die Eigenschaften, die wir an ihm wahrnehmen, nur kontingenterweise.

Erscheinung:

Die (einzig mögliche) Aufhebung dieses Widerspruchs besteht dann, dass wir - mit Kant - die Rede über Dinge selbst als Rede über qualitativ und formal in ihrer Identität bestimmte Gegenstände der Erfahrung begreifen.

Realität:

Real ist die Erfüllung einer Existenz- oder Wahrheitsbedingung in der Sphäre des Daseins, der gemeinsamen Anschauungsurteile.

Inhalt und Form:

Jeder Inhalt ist innere, wesenslogische Form, Gesetz der Erscheinungen, Struktur generischer Erscheinungen. Zur äußeren Form gehören alle zulässigen Variationen der Repräsentationen des Inhalts. Man denke an Übersetzungen einer Sprache in eine andere.

Kraft:

Kräfte sind in ihrer begrifflichen Identität und realen Existenz bestimmt durch ihre Wirkungen. Jede Kraft ist daher tautologischer ('innerer', wesenslogischer, eidetischer) Grund ihrer (möglichen) Äußerung.

Wirklichkeit:

Als wirklich erklären wir emphatisch all das, was als angemessene Wesensdarstellung eines Phänomens offenkundig geworden ist - und dann unmittelbar so verstanden wird.

Möglichkeit:

Möglichkeiten sind als solche definiert durch Möglichkeits- oder Erfüllungsbedingungen, z. B. durch Bilder, die als solche noch nicht Abbilder sind, oder durch theoretische Strukturen, die als solche noch keine Modelle von etwas sind. Möglichkeiten sind mögliche Analogien. Es ist ja im allgemeinen nicht von vornherein klar, ob wir ein strukturiertes Phänomen angemessen auf ein anderes projizieren können, so also, dass die Formgleichheit (auch angesichts des Interesses) unmittelbar einleuchtet - wie dies die Definition der Wirklichkeit verlangt.

Zufall, Kontingenz:

Angesichts der Trennung von Wirklichem und Möglichem erscheint das Wirkliche als zufällig, der Bereich des Zufalls aber ist der aller Möglichkeiten.

Notwendigkeit:

Notwendigkeiten sind definiert durch Gesamtbereiche von Möglichkeiten. Der "ontologische" Gebrauch der Worte "möglich" und "notwendig" bezieht sich immer stillschweigend auf eine (als möglich unterstellte) Beurteilung der 'Richtigkeit' einer faktisch immer von uns getroffenen Einschränkung der Möglichkeitsspielräume, etwa post hoc oder sub specie aeterni,

Substanz, das Bleibende:

Das einzig Substantielle ist die von uns gemeinsam geformte bzw. nachvollziehbare Entwicklung des Systems inhaltlichen Verstehens und Wissens, der Wesenserklärungen der Phänomene, der Darstellung der Wirklichkeit. Dieses Wissen als verfügbarer Möglichkeitsbereich menschlichen Denkens, Redens und Handelns ist Macht.

Eidetische und kausale Ursache:

In der Einheit von Bedeutung und Bedeutsamkeit einer erklärenden Darstellung der Tatsachen der Welt ist eine eidetische Ur-Sache, ganz gemäß der Bedeutung des lateinischen Wortes "causa" zugleich Urbild, Standard, Paradigma und Zweck, Interesse. Kausale Ursachen sind dagegen endliche Momente einer solchen Darstellung mit zumeist prognostischer Zwecksetzung.

Causa sui:

Das tatsächliche und dabei möglichst gute Leben der Menschen in der Kulturgemeinschaft ist nach Hegel Endzweck jedes Wissens und jeder Zwecksetzung und ist damit Selbstzweck. Die Tatsachen des Lebens sind Basis des ursprünglichen und unmittelbaren Verstehens und bilden zugleich den Bereich, auf den hin sich jedes echte Begreifen einer Sache orientiert.

Wechselwirkung:

Zu unterscheiden von den eidetischen Ur-Sachen ist das endliche Kausalverhältnis zwischen generischen kausalen Ursachen X und generischen Wirkungen Y, wie sie etwa artikuliert werden durch Regeln der Art "Wenn X, dann Y." Diese sind Teil des zwar generisch formulierten aber 'endlichen' Wissens, ein Moment der Hegelschen Substanz. Sie werden ihrerseits in Wechselwirkung mit der Realität entwickelt, wie Hume schon weiß: Man erklärt X zur (kausalen, endlichen) Ursache von Y, wenn sich immer dann Y einstellt, wenn X hergestellt ist oder eintritt. Die Substanz, d. h. unser Wissen und mit ihm unser Begriffssystem, reagiert auf Probleme: Wir ändern das endliche Kausalverhältnis entsprechend ab. Wir haben dazu ja die Macht. Dies richtet sich insbesondere gegen Kants Vorstellung von einem fixfertigen System der Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrungswissen.

Metaphysik und Theologie:

Auch wenn Hegels Bemühungen darum, 'theologischen' oder 'metaphysischen' Sätzen einen säkularisierten Ort in der Logik zu geben, nicht unser ungeteiltes Interesse, geschweige denn unsere Zustimmung finden mag, eines sollte anerkannt werden: Hegel sieht, dass die theologische Scholastik und der metaphysische Rationalismus der Intention nach Analyse des ethischen Gesamtbegriffs des Menschlichen war. In seiner Methode und damit auch im Ergebnis unterscheidet sich aber die Philosophie Kants und erst recht die Hegels von dieser metaphysischen Dogmatik radikal - auch wenn sie gelegentlich die Wörter "metaphysisch", "Gott", "Geist" und allerlei Formeln der klassischen Metaphysik nicht nur in negativ-kritischen, sondern auch im positiven Sinne gebrauchen.

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