Möglichkeitsfelder bei Hegel
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Nach unten:

1.

Hegel beansprucht immer nur Wahrheit relativ zu den Gründen die er angibt. Jeden Übergang kannst du danach befragen, inwiefern (was interessanter ist als die Frage nach dem "ob") er notwendig ist oder nicht.

Hegels Ausführungen sind keine "Versicherungen" (im Sinne von: ich versichere dir, dass.. / glaubt mir, ...) sondern wollen nachvollzogen, nachgedacht, nachgeprüft werden.

Im Nachvollzug weißt du dann um ihre relative Berechtigung.

2.

Manche Übergänge sind also stärker, andere schwächer.

Aus manchem lassen sich also auch andere Übergänge gewinnen, konstruieren, wie es ja auch Hegel selbst (und seine Nachfolger, denke etwa an Rosenkranz) vorgeführt hat(/haben).

Ich komme gleich noch darauf. Aber hier zunächst einmal: 

Angenommen an einer Stelle geht nur ein Übergang, er ist absolut notwendig, wasserdicht begründet usw.

Was wäre das Problem? Wäre da die Kritik, dass es da keine "Möglichkeitsfelder" (bzw. nur solche in Übereinstimmung mit dem begründeten) gäbe, nicht abstrakt und letztlich irrelevant?

Umgekehrt, wenn es eine andere Möglichkeit gibt, dann gilt der behauptete Übergang an der betreffenden Stelle ja gar nicht absolut. Es lässt sich also, zumindest im nachhinein zeigen, dass in der angeblich absoluten Absicherung dieses Überganges ein Mangel steckte.

(Ich benutze hier das bekannte hegelianische Argument gegen den abstrakten Skeptiker: praktisch relevant werden die Einwände des Skeptikers erst, wenn er einen konkreten Einwand hat, der Einwand, das alles und jedes falsch / schlecht sein könnte kürzt sich, gerade wegen seiner Universalität, weg).

3.

Du argumentierst, dass sich manche Übergänge in Hegels System der darüber liegenden Synthese verdanken. Das ist vielen nicht so klar und ist gut beobachtet, ich will es aber besser ergänzen:

a) Hegels Übergange in seinem System sind keineswegs alle gleich, nach der gleichen Strickart. Je nach Stelle im System und nach Thema überhaupt sind sie sehr unterschiedlich, (manche übrigens auch ungenügend und dokumentieren damit für den Mitdenker Probleme von Hegel an den betreffenden Stellen).

b) Es lassen sich mindestens zwei (es müssten eigentlich drei sein, einer fehlt mir also noch) Arten von Übergängen feststellen, die in Hegels System zusammen kommen:

Der sozusagen "lineare", abfolgende Übergang:

aus a ergibt sich folgendes Problem, welches zu dem Widerspruch b führt, welcher selbst widersprüchlich in sich ist, so dass wir zur Grenzüberschreitung auf Position c kommen, in der die gemeinsamen Grundlagen von a und b gesehen werden, a und b aufgehoben sind...

Statt sozusagen den Weg für sich, so wie er sich chronologisch, schritt für schritt, stufe für stufe darstellt zu betrachten, könne wir das ganze auch ansich, aus der Vogelperspektive betrachten (und an-und-fur-sich sollte beides zu dem selben Resultat kommen):

Danach unterteilt (Urteil) sich der allgemeine Begriff in seine Besonderheiten, die als einzelner Begriff eine organische Einheit (Schluss) bilden, die Einheit des ursprünglichen allgemeinen Begriffs also "auf höherem Niveau" wieder herstellen. Ich habe mal ein bisschen dazu etwas in meinem Essay zum hegelianischen Begriff geschrieben.

Wenn wir also logische, wissenschaftliche Ordnung in einen Gegenstand bringen (versuchen ihn ordentlich, logisch, wissenschaftlich zu denken und darzustellen), dann versuchen wir die Gründe anzugeben für unsere Begriffe / Grenzziehungen, für unsere Ausgangsbetrachtungen (allgemeiner Begriff, innerbegriffliche Grenzziehungen bereits besonderer Begriff), für die Vielfalt der Erscheinungsformen, die relative Notwendigkeit der Erscheinungsformen und ihrer Unterteilungen, ihres Zusammenhanges (besonderer Begriff).

Je nach Stand unserer Wissens werden wir dabei unser Wissen anders anordnen, andere Grenzen ziehen, andere Anfangssätze sagen, andere Unterteilungen machen usw.

Diese erscheinen dann jemandem Außenstehenden, der nicht mit den Gründen dafür vertraut ist fix, gegeben, vielleicht gar (Wenn er sich sehr wenig auskennt oder sehr ignorant ist) willkürlich. Innerhalb des gegebenen begrifflichen Rahmens erscheint dann manches starr, ausgeschlossen usw. 

Aber dabei wird vergessen, dass unsere grundlegenden Begriffe, Anfangsbestimmungen usw. selbst begründet sind (wobei an die Begründung immer der Anspruch / Maßstab angelegt wird, dass sie so ihr Objekt / Thema am besten treffen), also auch "subject to change".

Dazu dann etwa Kuhn (das rationelle an Kuhn wird an vielen Stellen von Hegel vorweggenommen, die ganze Logik läuft ja, in Radikalisierung / Vollendung wie Aufhebung von Kant auf eine Prüfung aller, auch der eigenen, Begriffe / Kategorien / Voraussetzungen hinaus, sondern auch anhand konkreter Beispiele der Wissenschaftsgeschichte bezogen auf den konkreten Geist einer Gesellschaft oder eines einzelnen, siehe etwa Hegels Bemerkungen zu Keppler im Vorwort der Philosophie der Geschichte).

Daraus folgt also: Hegels System kann im ganzen und in jeder einzelnen Stelle dort umgestellt / umgemodelt werden, wo sich bessere Gründe dafür finden, wo dadurch das beschriebene besser erfasst wird.

Wie gesagt hat das Hegel selbst ja auch so gehalten.

Es ist hier auch ähnlich wie eben sonst auch in der Wissenschaft (deren rationaler Kern ja Hegel in seiner Logik "auf den Begriff" bringt):

Wenn du z.B. in der Mathematik, der Physik, der Biologie oder sonst wo ein "Gesetz" findest, nehmen wir mal die Gesetze der Mechanik: dann ärgerst du dich doch nicht darüber, dass jetzt all das aus dem Möglichkeitskontinuum ausgeschlossen ist, was vorher drinnen war.

Hegel schreibt dazu in seinen Bemerkungen zur Kategorie der Möglichkeit in Paragraph 143 der Enzyklopädie.

Das was du verloren hast, sind ja nur eingebildete Möglichkeiten, Möglichkeiten, die du nur aus Unkenntnis geglaubt hast, während das was du gewonnen hast, sozusagen reelle Möglichkeiten sind (welche übrigens, die ohne das Wissen davon evtl. gar nicht "konkret" "möglich" waren), du kannst nun mit diesem Wissen z.B. Mechanismen entwickeln die sich dieser Gesetze bedienen usw.

Sollte sich das Gesetz hingegen als falsch herausstellen, sollte es also etwas z.B. als unmöglich darstellen, was doch möglich ist, so wird sich dies in einem Widerspruch zeigen, der zu einem neuen, besseren gesetzt führt usw. (das ist alles jetzt Wiederholung, s.o.) 

Weiter:

In welchem Verhältnis steht die lineare Bewegung "für sich" mit der Bewegung "an sich" der hier aufgestellten Vogelperspektive des Begriffes?

In der Tat ist es richtig, dass schon für die Bewegung fürsich das Ansich, die Vogelperspektive vorausgesetzt ist:

Nur wenn ich etwa an das Sein den Anspruch anlege, dass es das wahre, das ganze, das absolute sein solle (was allerdings in unserer Sprache implizit ist), komme ich auf einen Widerspruch.

Interessieren mich andere Sachen dann kann ich da bleiben, brauche nicht weiter zu gehen (ich will z.B. "ein leerer Bambus" werden, mich meditativ versenken, oder ich will einfach nur dableiben, recht haben ohne zu argumentieren usw.), oder ich komme woanders hin (in einer Darstellung mag auch impliziert sein, wenn auch naturgemäß weniger dringend/wichtig/implizit, dass die Darstellung unterhält, interessant, angenehm ist: dann wäre der Fortgang etwa literarisch oder wie in einem gelungenen nicht-philosophischen Gespräch, es gibt natürlich noch viele andere arten der Interessen, mit also vielen anderen Arten der Übergänge).

Aber der logische Standpunkt, Wahrheit, ist wie gesagt erstens nicht willkürlich sondern immanent, wohl derjenige der am wenigsten von außen an die Sache herangetragen ist, ihr am wenigsten "Gewalt" antut.

Außerdem ist die Sache natürlich in Wirklichkeit gar nicht isoliert für sich, wie sie vielleicht glaubt, wie es in dem Nachvollzug zuerst erscheint. Dies stellt sich für sie im Nachvollzug der Entwicklung ja als Schein, Irrtum heraus.

In Wirklichkeit ist es doch so, dass schon jeder Ausgangspunkt einer Entwicklung Gegenstand einer Grenzziehung durch uns war, doch bereits seine Beziehung auf anderes in sich enthält....

Ich werde versuchen, das in meinem Buch noch klarer zu schreiben, besser darzustellen (ich möchte immer klar schreiben, aber es ist auch Anstrengung, es gelingt mir nicht immer sofort. Wenn ich reden kann wird es besser, auch wenn du darauf antworten möchtest, nachfragen/nachhaken geht es sicher auch, hilft mir das auch).

Zu deiner Frage danach, inwiefern Hegels Dialektik / Logik bei der Bestimmung der Zukunft helfen kann:

Tja, Hegel hat sich nicht an Zukunftsvisionen beteiligt (obwohl seine Logik, als normatives Werk gelesen, was durchaus sinn macht, einiges an Utopiekonzentrat enthält. Theunissen, Liebrucks und Hösle haben z.B. auf je ihrer Art versucht, von diesem Schatz etwas zu heben).

Die Zukunft ist ja noch nicht da, also fehlt die Perspektive auf die "Synthese" wenn du so willst. Es gibt aber auch hier durchaus "Möglichkeiten":

Eine davon, die Logik, habe ich schon erwähnt. Da sie alles enthält, enthält sie auch die Zukunft, wir dürfen annehmen, dass ich die menschliche Gesellschaft immer mehr den höheren Stufen der Begriffslogik annähern sollte. Allerdings gilt für die Logik das selbe wie für das übrige System gesagte:

Auch hier ist es so, dass die Logik deshalb alles bestimmt, weil sie eben umgekehrt das Konzentrat unseres Wissens von allem darstellt, ändert / erweitert sich also unser Wissen, erweitert sich also auch die Logik (so auch die Argumentation / der Versuch von Hösle in "Hegels System")

4.

Am Ende noch eine Bemerkung zu dem aus meiner Sicht Rationellen an dem Unbehagen, welches manche gegenüber den Antworten der Wissenschaft befällt:

Wie geschrieben, können wir z.T. sehr verschiedene Übergänge konstruieren und auch die Übergänge sehr unterschiedlich anordnen.

Wenn dann nur ein Übergang dasteht, besteht die Gefahr bei einem unkritischen, passiven Lesen, dass damit die anderen "Möglichkeiten" ausgeblendet werden.

Wie ja überhaupt Aristoteles mit Recht sagt, dass philosophieren, selber denken, beim wundern beginnt, wenn ich also etwas nicht als Gegebenes hinnehme. So ist umgedreht alles, was das Fragen aufhören lässt, antworten gibt die zu gut passen, in dieser Hinsicht problematisch.

Dies vor allem die Gefahr von Universalantworten, "Der Mensch / Die Welt ist schlecht", "Alles hängt zusammen" (am Anfang steht meistens eine Abstraktion und auch das davon ausgesagte ist entsprechend weit / abstrakt). Diese Sprüche beseitigen die Spannung, schaffen Beruhigung, man kann sie überall anwenden, findet überall seien ruhe, aber um den Preis, dass man nicht mehr lernt, keinen Widerspruch mehr findet, sich mit zuwenig zufrieden gibt... (mehr als einen psychologischen und so vielleicht auch sozialen Nutzen haben diese Sprüche sicher nicht).

Ähnlich verhält es sich auch mit den Grundwahrheiten, Gesetzen, Erklärungen:

Mit wie wenig geben wir uns oft als Antwort zufrieden:

"Warum ist das Blatt grün?".

 Jeder kennt die Antwort "das macht das Chlorophyll darin", man kann nun auch das Chlorophyll-Molekül in einem Buch ansehen. Aber: das ist doch keine echte Antwort, es wird hier zu einer Erscheinung "Farbe" das Wesen "Chlorophyll-Molekül" dazu gesagt, aber wie beides zusammenhängt, wird nicht gesagt.

Gut, man kann mit Ohne-nicht argumentieren: wenn im Herbst das Chlorophyll aus den Blättern abgezogen wird, verschwindet die grüne Farbe (dazu gleich mehr). Also folgt daraus, dass das Chlorophyll der Grund des Grüns der Blätter ist. Was aber fehlt, ist der Zusammenhang, *wie* das Chlorophyll die Blätter grün erscheinen lässt, also über die behauptete Wirkung, erst dann wäre mit Wirklichkeit der Übergang zum Begriff hergestellt, erst dann also die Warum-Frage eingelöst. Also: nicht vorschnell aufgeben.

Genauso übrigens zum gelb-werden der Blätter: das liegt also daran, dass das Chlorophyll weggeht. Frage a) das ist nur negativ erklärt, dass die Farbe nun nicht mehr grün ist, erklärt nicht warum die Farbe nun rot z.B. ist. Das ließe sich sicher leicht klären (nun ist das Molekül xyz bestimmend für die Farbe. Dazu s.o.). Wichtiger aber Frage b): und warum geht nun das Molekül Chlorophyll aus den Blättern weg?

Ist es so kostbar? kann es von den Pflanzen nicht gebildet werden? Dann: angenommen die antwort ist, ja es ist kostbar, und da die Pflanze nun die Blätter abwirft, muss es vorher "gesichert" werden. Frage dann: warum wirft die Pflanze ihre Blätter ab? Die Nadelbäume werfen ihre Blätter doch nicht ab?

[hängt vermutlich mit der größeren Oberfläche des Laubes zusammen, das mehr Sonnelicht einfange, aber auch mehr der Kälte ausgesetzt ist] uswusw.

Ihr seht, wenn man hier konsequent weiterfragt, kommt man zu besseren Antworten, es gilt also, das weiterfragen zu lernen, dass mitdenken, sich nicht vorschnell zufrieden zugeben.

Ebenso kann also in der Wissenschaft zuviel Sicherheit vorgespiegelt werden. Die Begriffe, die Gesetze sind aus bestimmten Schlüssel-Experimenten gewonnen worden, Schlüsselinterpretationen, die wir uns vor Augen halten müssen. Ebenso etwa in der Mathematik: auch die heutige Mathematik verdeckt oft ihren Sinn, die Gründe, warum sie so gemacht wird, warum die Grundbegriffe so gewählt werden, es sind durchaus andere Darstellungen möglich.

Das ist ein Grund für historische Wissenschaftsstudien, man kommt so wieder an die Problemstellungen heran, die zu den Entscheidungen bei der Begriffsbildung / Anordnung geführt haben.

So sind also für ein tieferes Verständnis der Mathematik, der Physik usw Bücher zur Wissenschaftsgeschichte nützlich (ebenso wie etwa auch etymologische Lexika).

Umgekehrt, und hier ist die Grenze des Historismusses und des Relativismusses, unterstellen all diese Beschäftigungen natürlich implizit Wahrheit, legen also den Maßstab an, inwiefern diese Begriffe nun den Gegenstand, den wir versuchen mit unseren Begriffen "einzufangen", zu beschreiben, diesen treffen. (Die Kritik, dass eine Theorie etwa "ethnozentrisch" oder "patriarchalisch" oder meinetwegen auch "barock" (oder "modern" - kritisch/negativ gebraucht) sei, ist ja nur insofern relevant und richtig, insofern sie behaupten will, dass damit also der Gegenstand gerade nicht richtig getroffen wird, also etwa diesbezügliche Vorurteile eine rolle spielen die dazu führen, dass der Gegenstand *nicht* richtig erkannt wird, die Vorurteile also positiv *nicht* zutreffen).

Du hast also die "Spirale" (wenn du willst, die Ähnlichkeit ist eigentlich recht vage, da es nicht so kontinuierlich / gleichmäßig vor sich geht, weder in wagerechter noch in senkrechter Richtung):

Aus den "Fakten" wird der Begriff erschlossen, aus diesem wird dann später der Begriff abgeleitet. So etwa auch richtig (und in Übereinstimmung mit Hegel) in der berühmten Bemerkung von Marx. (In Wirklichkeit ist es natürlich noch komplizierter, die Fakten sind ja selbst aufgrund von Begriffen wahrgenommen, welche sich auch im Laufe des Prozesses ändern können, und die Begriffsbildung ist selbst ein Prozess)

Aus / Hinter dem "Chaos" der Seins, gewinnen wir also die Ordnung des "Wesens" (von dem uns aus das Sein als Erscheinung vorkommt), dessen Zusammenhang wir im Begriff wissen. In diesem können wir also die bekannten Erscheinungen, ja sogar weitere ableiten.

Das ist also der Fortschritt.

Preis ist, das in der Ableitung möglicherweise Sachen vergessen sind oder nicht gewusst sind (abgesehen von der Möglichkeit, dass wir Fehler gemacht haben).

Hier schränkt uns die Geschlossenheit der Theorie ein, denn umgekehrt ist es auch keine Lösung, diese einfach umzustoßen, wo sie uns doch so viele gute Dienste leistet. (Über den Prozess des Umstoßens hat wie gesagt Kuhn gutes geschrieben).

Hier kommt dann also der Bruch, ein "Paradox" wenn du so willst (vor dem Hintergrund der alten Theorie / Begriffe), was zu produktiv neuem führt (so wie auch Individuen besonders am wundern, also etwa an "Paradoxen" zum lernen angeregt werden).

Zurück zur Dialektik, diese ist ja nichts anderes als das auf den Begriff gebrachte denken, wissenschaftliche vorgehen. Von daher tauchen ihre Probleme bereits oben auf, es sind die selben Probleme.

Wenn du mehrere Übergänge hast und einen wählst, so erklärst du diesen Übergang, zeigst also bei dem Übergang die relative Notwendigkeit aber du erwähnst nicht explizit die anderen "Möglichkeiten".

Hegel hat sich das wohl so gedacht, dass er immer ein Mitdenken, also überall Reflexivität unterstellt hat (im Gegensatz zur heutigen Zeit, wo immer extra Meta-Ebenen, zu denen es dann wieder Meta-Ebenen gibt usw. eingeführt werden müssen. Eigentlich ein Zeichen dafür, dass die heutige Wissenschaft, zumindest Geisteswissenschaft, die Ebene des Begriffs nicht erreicht, in der "schlechten Unendlichkeit" stehen bleibt, nicht zur Selbstreflektion, Selbstbestimmung usw. kommt, ihr Vorgehen äußerlich, mechanisch, dem Denken unangemessen bleibt). So dass wir also sehen können, welche "Möglichkeiten" es an einer Stelle gibt.

Aber das ist nicht ausgesprochen, und kann von daher auch übersehen werden. Und es ist auch tatsächlich, auch für den mitdenkenden Leser, nur "ansich" vorhanden, muss noch entwickelt werden. So wie etwa in der newtonschen Mechanik die entsprechenden (praktischen Anwendungs-) Möglichkeiten der Mechanik (oder, um beim Thema zu bleiben: die mögliche Aufhebung in Einsteins Relativitätstheorie) nur "ansich" vorhanden ist.

Erst recht werden alle anderen Perspektiven, Ansprüche, Herangehensweisen, je weiter sie von dem Kern entfernt sind, um so weniger in der Darstellung selbst zu finden sein.

(Natürlich denkst du an diese nicht, oder?)

Das du beim Lesen auch die Buchstaben zählen kannst, aus den Seiten auch einen Papierflieger machen kannst, das Buch als Schlafmittel benutzen kannst (Hegel ist in dieser Hinsicht ein Geheimtipp <g>, wäre er bekannter, wäre das der Ruin der Schlafmittelindustrie), oder das du nachschauen kannst, wie viele männliche vs. weibliche Formen in dem gesagten vorkommen uswusw, als diese "Möglichkeitsräume" werden von außen an die Sache herangetragen und sind als solche unendlich stehen aber deshalb eben nicht explizit mit dabei (der Anspruch, das es anders sein sollte, setzt eigentlich schon immer unkreative / unmündige Leser voraus. Aber das hat natürlich heutzutage eine gewisse Berechtigung heutzutage, Stichwort Adornos "Kulturindustrie").

Also, jedenfalls, wie entscheide ich also, welcher der Übergänge besser ist, wenn es mehrere gibt?

Dogmatische Antwort: das entscheidet sich an der Sache selbst. Aber wir finde ich den richtigen, der Sache entsprechenden Übergang, oder wie finde ich, wenn mir die Sache, vielleicht aus Gewohnheit, so vertraut / richtig erscheint, eine mögliche Kritik an ihr?

Hier sehe ich ein gutes heuristisches Mittel in Hegels Logik und System. Schon aus dem im vorherigen Brief gesagten wird vielleicht deutlich, dass es sehr problematisch ist, die "Dialektik", vorgestellt als neutrale "Methode" vom "System" (vorgestellt als Dogmatik) trennen zu wollen.

Ohne Grenzen kein Anfang (Selbst Sein und Nichts sind ja, als unbestimmte unterschieden von etwas bestimmten, also insofern selbst bestimmt, haben insofern also selbst Grenzen), ohne Ansprüche kein Fortgang.

Das System versucht über die Grenzziehung und die Ansprüche, die Richtungen usw. Rechenschaft abzulegen, ermöglicht also hier ebenfalls eine rationelle Prüfung, zeigt die relative Berechtigung aus. Ohne System kann Dialektik zu beliebigen führen.


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