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Du schreibst, möchtest von mir etwas zur Kritik der bloßen "Meinung" hören?

Wer auf seiner "Meinung" beharrt ("ich meine ja bloß", "das ist ja bloß meine Meinung"), der will etwas vertreten, ohne dass er sich auf eine ernsthafte Diskussion über die Gründe einlassen will. Natürlich lässt sich das kritisieren:

a)

Gäbe es keine objektiven Gründe, wäre es rein subjektiv, dann machte es auch keinen Sinn es zu äußern. Hegel schreibt, dass schon die Sprache alles implizit / dem Anspruch nach in die Sphäre der (mitteilbaren / nachvollziehbaren) Allgemeinheit hebt (=etwas was so individuell ist, dass es sich von den anderen nicht nachvollziehen / prüfen lässt, ließe sich schwerlich mit den allgemeinen Mitteln der Sprache mitteilen).

Der Sprecher / die Sprecherin, die auf "Meinung" beharrt, hat also eine Vorstellung von ihren Gedankeninhalten, als ob es sich um Geschmacksurteile (über die sich also nicht streiten ließe) handeln würde.

Stellt sich die Frage, wie dann überhaupt eine Übereinstimmung / Einigung in wesentlichen Fragen (wie die gerade diskutierte) zu erzielen sein soll?

b)

Alternative zur Übereinstimmung durch Argumente ist, dass das, was gemacht wird / gelten soll, sich dann anderen Kriterien verdankt: üblicherweise wird dann das gemacht, was eh gemacht wird.

Darum hat an der Diskussion vor allem derjenige ein Interesse zu Diskutieren, der etwas ändern möchte. Umgedreht, wer nur das tun möchte was er eh tut, wird sich wohl nicht immer auf eine Diskussion über seine Gründe einlassen wollen, in der diese in Frage gestellt werden und erst zeitraubend verteidigt werden müssen, er wird die Zeit zur Diskussion abkürzen, in dem er einfach darauf beharrt, dass er es eigentlich nicht nötig hat, dem Anderen gegenüber sich zu begründen, so beruft er sich dann eben darauf, dass dies nur seine Meinung wäre.

Was im privaten Leben durchaus auch praktisch sein kann (ständig alles und jedes mit jedem zu diskutieren ist aufwendiger als manchmal auch die falschen Meinungen zu vertreten bzw. zu tun), kann insbesondere im Politischen auch problematisch sein:

In diesem Falle würde dies, falls nur noch Meinungen anerkannt wären, dazu führen, dass eben das gemacht wird, was der Herrscher sagt, und dies ließe sich nicht (bzw. nur ohne Anspruch auf Gehör / Wirkung) kritisieren: und darum wird eben das gemacht was er will, lässt sich nicht kritisieren ("du hast ja nur Meinungen"). [Marcuses "repressive Toleranz"]

c)

In Wirklichkeit hast du natürlich zu allem was du "meinst", also auch wenn du meinst, es sei jetzt besser nicht zu diskutieren, das zu tun was du tust usw., Gründe dafür im Kopf (wobei es durchaus anstrengend sein kann, sich diese klar zu machen und auszuformulieren).

Idealerweise könnte man also zu allem seine Gründe angeben und diese in einer Diskussion prüfen, und so am Ende vielleicht auch gegenseitig voneinander lernen.

Die Schwierigkeiten bestehen dabei zum guten Teil in der Unfähigkeit / Ungeübtheit zu begründen. Es herrscht / gewinnt dann derjenige / diejenige die besser reden / diskutieren kann ("bloß weil du jemanden zum Schweigen gebracht hast, hast du ihn noch nicht überzeugt"). Gerade da der / diejenige darum weiß, dass er Gründe hat, möchte er sie sich nicht durch Tricks ausreden lassen (das scheint mir z.B. der rationale Grund, warum in den Kulturen, in denen Frauen eine schlechtere Ausbildung hatten, lieber nicht mit ihren Männern diskutieren wollten, gibt es heute auch noch z.T., ebenso bei weniger gebildeten Mitmenschen gegenüber Intellektuellen, Studenten).

Ich denke, diese Einwände sind richtig und sollten so aufgelöst werden, dass dem Gegenüber geholfen wird, seine Position zu formulieren und zu begründen, dabei gemeinsam gesucht wird, und dann versucht wird, diese Position gemeinsam möglichst vorurteilsfrei zu begutachten und von da aus weiterzugehen (immer offen für neue Weg / Aussichten), so dass der / die andere erkennt, dass ich ihn / sie nicht überfahren / vergewaltigen will. Das könnte eine neue Erfahrung sein, auf der unsere "Hegel-Bewegung" aufbauen könnte.

Zur konkreten Diskussion folgt für mich aus diesem Argument eher ein Eingehen auf die zugrundeliegende sachliche Differenz, als die Diskussion der "Meinung an sich". Der Gedanke  ist u.a. dass in einer solchen Klärung bereits implizit die Anerkennung unserer Meinungsargumente liegt, also eine separate Befassung damit überflüssig wird.

Kein Mensch kommt auf die Idee, an der Überzeugungskraft seiner Argumente (und darüber dann an der Diskussion / Argumentation überhaupt) zu zweifeln, wenn er alle Argument angemessen überblicken kann und sich entsprechend ausdrücken kann. Sofort klar wird dies zumindest in dem Falle, in dem er andere überzeugt.

Darum ist die Diskussion über die Grundlagen der Diskussion normalerweise ein Zeichen für die Schwäche der eigentlichen, inhaltlichen Diskussion und normalerweise zur Klärung nicht geeignet, da sie das eigentliche Problem nicht löst. 

Jemand der auf seine Meinung beharrt, fühlt sich "vergewaltigt", sieht keinen Weg seine Meinung zu verteidigen ist aber andererseits noch nicht überzeugt. So jemandem wird man mit einer Meta-Diskussion über Diskussion wohl kaum überreden, sondern er wird sich eher erst recht missverstanden / vergewaltigt vorkommen....

Verweise: 

 

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