Hegel Hermeneutik
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Ist es nicht so, dass wir in der Auseinandersetzung mit Theorie stets Vergleiche anstellen? Die meisten vielleicht unbewusst... Und wenn Du  Bücher über Hegel liest, dann liest Du sie doch bestimmt mit Fragestellungen, ob aus ihnen eine "richtige" Interpretation z.B. der Logik spricht, vergleichst ihre Interpretation mit den Ausführungen von Hegel und vergleichst noch die jeweilige Herangehensweise der Autoren mit- bzw. gegeneinander.

Zugegeben. Der darin unterstellte rationale Maßstab ist IMHO die Konsistenz, es ist wichtig, dass das was wir vertreten sich nicht widerspricht. Daher achten wir bei neuen Theorien, inwiefern sie sich mit anderem, was uns einleuchtet, widerspricht oder ergänzt usw. Zumindest in dem Maße, indem wir uns bereits ein Urteil, eine Meinung, eine Theorie gebildet haben, fällt uns das auch leicht.

Je leichter uns dies aber fällt, desto schwerer fällt es uns, noch von unserem Kategoriesystem abweichende Gedanken zu erkennen, als solche wahrzunehmen. Wir denken alles durch unsere Kategorien. Ich halte es für sehr wichtig (und es ist eine mühsam zu erlernende Fähigkeit) sich die Möglichkeit zu erarbeiten, auch andere, abweichende Theorien, basierend auf abweichenden Kategoriesystemen (Die ich mit Recht kritisieren kann) zunächst einmal "für sich" zu betrachten:

Was will der Autor sagen? Was ist das rationelle an dem was sie sagt? Was ist das neue? Welchen neuen Blickwinkel kann ich lernen? Welche neuen Informationen erhalte ich? Wie kann ich den Autor möglichst stark machen? Wie ließe sich das von ihm gedachte weiterdenken (in Richtungen die ich noch nicht weiß, natürlich)

Wo gibt er / sie mir einen Hinweis auf eventuelle Vorurteile und / oder blinde Flecke in meiner Theorie? (u.a. mögen dabei psychologische. Hilfsmittel dabei nützlich sein wie etwa: Welche Informationen / Anteile seiner Theorie nehme ich nicht wahr, fällt mir schwer zu behalten, wogegen sträube ich mich? ist meine Schwerpunktsetzung / Interesse identisch mit dem der Autorin? Was ist das rationale an meiner Einstellung, und was evtl. nicht?)

Ich gehe dabei bei einem Text zunächst einmal davon aus, dass alles, was in dem Text drin steht, aus logisch gutem Grund da steht, dass sich die Autorin etwas dabei gedacht hat und versuche das heraus zu finden (manchmal hilfreich: aus welchem Grunde würde ich derartiges sagen).

Andererseits ist mir der Text und die diesem zugrundeliegende Ansicht / Theorie auch nicht heilig, sondern, da sie mir, nachdem ich den Text gelesen und verstanden habe, nicht mehr als Fremdes gegenüber steht, kann ich sie nachvollziehen und auch Fehler darin finden (allerdings, selbst hier ist zu bedenken, dass ein Text eigentlich nie nur Fehler enthält, selbst der fehlerhafteste Text muss auch Wahrheiten enthalten um überhaupt sinnvoll gedacht, geäußert und (von dem Autor und evtl. Anhängern) geteilt werden zu können).

Um zum Abschluss aus einer anderen Mail von mir zu zitieren:
>>
Marx hatte kein Problem aus den von ihm kritisierten "bürgerlichen" Wirtschaftswissenschaftlern die nötigen Auskünfte für sein Werk zu entnehmen. Bei bloßer Suchen nach Fehlern, der bloße Vergleich auf Abweichungen erscheint mir die Gefahr einer systematischen Aufnahmeunfähigkeit für abweichendes gegeben.

Ergiebiger erscheint es mir, sich auch immer jenseits der Kritik (oder möglicherweise ist es psychologisch sogar vorzuziehen: vor einer Kritik) auch umgedreht zu fragen, was an einem gegebenen Ansatz / Theorie/Meinung rational, interessant, neu, übernehmenswert, weiterentwicklungswert usw. ist.

Dies nicht nur, weil a) so die eigene Theorie mehr weiterentwickelt wird, b) wir geistig reger bleiben / weniger erstarrt / dogmatisch / unflexibel sind, und c) wir nur so genügend offen und überzeugend mit andere(n) argumentieren können, wir z.B. zeigen können, dass wir die anderen verstehen, sie nicht einfach für blöd halten, wir ihre Argumente nachvollziehen können (was nicht unbedingt identisch sein muss mit für absolut richtig halten, aber wir können ihre bedingte Richtigkeit sehen), dass wir eine gleichberechtigte Diskussion führen, in der auch wir bereit sind, vom anderen zu lernen, unsere Ansichten zu verbessern (wer, wenn nicht wir, sollte diese ungewöhnliche neue Herangehensweise einführen und vorführen).
<<

Zurück zu deiner Ausgangsfrage: nein, ich vergleiche keineswegs alles darauf, ob es mit Hegel übereinstimmt, sondern darauf, inwiefern es mir einleuchtet, was denn das Argument ist.

Ich ziehe jederzeit ein richtiges Argument, welches gegen Hegel oder etwas von mir bisher geglaubtem spricht, einem falschen Argument welches dafür spricht vor (allerdings ist dann die Anforderung, dass sich das Neue mit den sonstigen Argumenten, die ich habe, verträgt).

Dieses Problem ist wohl die wahre Ursache dafür, dass die meisten Menschen, je länger sie leben, je intensiver sie ein bestimmtes Gedankensystem kennen, desto unfähiger werden, sich davon zu trennen (dies ist eines der oben angedeuteten psychologischen Argumente, die ich für mitverantwortlich dafür halte, dass Marxisten und auch kritische Frankfurter unfähig sind, Hegel angemessen zu verstehen).

Um diese Gefahr zu umgehen, lasse ich es bewusst zu, mir Dinge einleuchten zu lassen, die zunächst einmal nicht zum übrigen von mir vertretenen passen und erlaube mir die Zeit zu nehmen, mit der Zeit die passenden Zwischenglieder / nötigen Änderungen (Am alten oder neuen) usw. zu finden (so wie ich mir auch bei meinen Gefühlen erlaube, erst mit der Zeit die Gründe dafür zu finden und mich erst dann endgültig dafür / oder dagegen zu entscheiden, statt mit meinen Gedanken nicht übereinstimmende Gefühle gleich zu vertreiben).

Allerdings fällt mir das zugegebenermaßen auch deswegen leichter, weil ja mein hegelianisches Grundkonzept die Aufhebung der sich widersprechenden Seiten ist, daher ist für mich etwas anderes nicht nur ein Problem sondern auch eine "Bereicherung" und im Ergebnis sind beide Seiten aufgehoben.

Verweise:

  • zum Ergänzung / Abrundung ein kritischer Artikel zum Pluralismus (in englisch)
  • Marxisten meinen vielleicht, dass sie die obige Kritik nicht beträfe. Evtl. hilft ihnen die Kritik im Artikel Genese vs. Geltung offener / selbstkritischer zu werden. Eine darauf aufbauende Kritik, wie Marxisten Texte lesen und kritisieren, findet sich im 1.Teil des Artikels zur linken Moralkritik (danach diesen Artikel noch einmal lesen).
  • Ich schreibe oben, dass ich mir auch erlaube, zwischendurch einmal Widersprüchliches hinzunehmen. Dazu vertiefend in dem Artikel zu Gefühl und Vernunft und Unwissenheit und Skeptizismus.
 

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